Aus der Freilerner-Szene im Landkreis Esslingen kommen widersprüchliche Signale. Laut einem Telegram-Post des „Lernen im Freien“-Gründers Matthias Lebschy, wird das Angebot zur Schulzeit abgeschafft. „Die sich entspannende Lage im Zusammenhang mit dem Corona-Komplex hat dazu geführt, dass viele junge Menschen, denen wir im Sommer, Herbst und Winter 2021, sowie im Frühling 2022 eine Tagesstruktur vorhalten und soziale Teilhabe ermöglichen konnten, wieder zur Schule gehen“, schrieb Lebschy am 31. Mai auf seinem Telegram-Kanal. „Lernen im Freien“ begleite diese Reintegration und finde daher ab sofort nur noch nachmittags, an den Wochenenden und in den Ferien statt. So bestehe Gelegenheit für alle Schüler, an dem Angebot zu partizipieren.
Auf dem Wiesengrundstück in der Ötlinger Halde, das der Ex-Waldorfschullehrerin Anna Ohlendorf-Kist gehört und auf dem seit September vergangenen Jahres schulpflichtige Kinder und Jugendliche zur Unterrichtszeit betreut werden, ist jedoch laut Ötlinger Beobachtern immer noch täglich zwischen 8.30 und 13.30 Uhr Betrieb, freitags länger. Die Ortsgruppe gehört eigentlich zur Initiative „Lernen im Freien“, müsste also seit Anfang Juni den Betrieb eingestellt haben. Was ist da los?
Ötlinger gehen eigene Wege
Auf Anfrage des Teckboten teilt Matthias Lebschy mit, dass sich die Ötlinger Ortsgruppe von seiner Initiative „Lernen im Freien“ abgespalten hat und nun eigene Wege geht. Er hingegen bemühe sich um die Reintegration von Schülern, sei wegen eines Schülers in persönlichem Kontakt mit dem Schulamt. Man habe eine einvernehmliche Lösung gefunden. Leider holpere es mit der konkreten Umsetzung in der Schule noch ein wenig.
Menschen, die Lebschy und seine Freilerner-Bewegung schon seit vielen Monaten beobachten, haben indes Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Bekenntnisses zur Reintegration. „Ich denke, das ist der Versuch, die aufgrund der Lockerungen abspringenden Eltern bei der Stange zu halten, vor allem mit Blick auf Herbst und Winter. Wenn es irgendwo solange weiter läuft, hat er bestimmt nichts dagegen“, sagt ein Mitglied der Twitter-Recherchegruppe „Filder Nazifrei“, die seit Mai 2021 Informationen über die Bewegung sammelt und veröffentlicht.
In der Zwischenzeit feilt das Team um Matthias Lebschy offenbar an neuen Plänen, die darauf hindeuten, dass der Heilerziehungspfleger und Esslinger Kita-Betreiber nicht vorhat, dem Thema Schule gänzlich den Rücken zu kehren. Marvin Mäußnest, ein Ex-Gymnasiallehrer, der mit Lebschy zusammenarbeitet, macht in der Telegram-Gruppe „Das sind wir Esslingen“ Werbung für das PerLen-Konzept, eine Methode der alternativen Leistungserbringung für Freilerner und Schüler. Mit diesem Konzept geht das Team rund um Lebschy schon seit Monaten auf Telegram hausieren, mit unbekanntem Ausgang. Marvin Mäußnest ist in der Querdenker-Szene kein Unbekannter: Auf seinem Telegram-Profilfoto posiert er mit Claudia Müller, die im Oktober 2020 in Kirchheim die erste Corona-Demo von „Querdenken 702“ organisiert hat. Einer der Redner: der neunjährige Louis-Manou.
Die Freilerner in der Ötlinger Halde liegen seit Monaten im Clinch mit Schulamt, Stadt und Landratsamt, weil Kinder, die sich dort aufhalten, schulpflichtig sind und weil die Bauarbeiten, die auf dem Grundstück vonstatten gehen, gegen Baurecht und Landschaftsschutz verstoßen. Die Stadt hatte die Besitzerin zuletzt aufgefordert, alle Bauwerke auf dem Wiesengrundstück zu beseitigen. Diese Anordnung habe die Gruppe angefochten, teilt der Sprecher der Stadt Kirchheim, Robert Berndt, auf Anfrage mit. Der Vorgang gehe als nächstes voraussichtlich an das Regierungspräsidium als höhere Baurechtsbehörde.