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Augenarzt-Mangel in Kirchheim: Kein Ende in Sicht

Versorgung Wer in Kirchheim und Umgebung aktuell keinen Augenarzt hat, wird so schnell keinen neuen finden. Weil für eine augenärztliche Praxis kein Nachfolger gefunden wurde, fällt der Arztsitz weg. Von Antje Dörr

Dr. Peter Enke würde seinen Patienten wünschen, dass wieder eine augenärztliche Praxis nach Kirchheim kommt. Archivfoto: Carsten Riedl

In Kirchheim und Umgebung verschlechtert sich die augenärztliche Versorgung. Der Grund: Für die kassenärztliche Praxis von Dr. Peter Enke gibt es keinen Nachfolger. Enke hatte sie nach über 36 Jahren zum Ende 2022 geschlossen und behandelt nur noch Privatpatienten und Selbstzahler. Viele seiner rund 1500 Patientinnen und Patienten hängen seitdem in der Luft, denn die Versorgungslage gilt in Kirchheim ohnehin als angespannt. Aktuell gibt es nur noch zwei augenärztliche Praxen, in denen Kassenpatienten behandelt werden. Einer der Ärzte ist kurz vor dem Ruhestand und nimmt niemanden mehr auf. Dazu kommen zwei Praxen für Privatpatienten und Selbstzahler.

 

Das ist wirtschaftlich nicht leistbar.

Dr. Peter Enke kritisiert die geringe Vergütung von 21 Euro für gesetzlich Versicherte.

 

Die Suche nach einem Nachfolger hatte zunächst hoffnungsvoll begonnen. „Es gab zwölf Interessentinnen und Interessenten, die meisten hochqualifizierte Frauen“, berichtet Peter Enke. Mit einer Kollegin sei man sich über die Modalitäten der Übernahme einig gewesen. „Sie konnte jedoch von der Bank keinen Kredit bekommen, weil die Einnahmen von den gesetzlichen Krankenkassen geringer waren als die Ausgaben für Personal und Betrieb der Praxis“, so Enke. Die anderen Interessenten hätten alle abgesagt.

Für Enke ist die geringe Vergütung schuld daran, dass die Nachfolgersuche gescheitert ist. Augenärzte erhalten ein Budget von zirka 21 Euro pro Patient und Quartal, egal, ob der Patient ein oder sechs Mal untersucht werden muss. „Das ist wirtschaftlich nicht leistbar. Bei mir war es Sozialarbeit und langjährige Verbundenheit mit meinen Patienten“, sagt Enke.   Eine Versorgung der gesetzlich versicherten Patienten sei nur noch möglich gewesen durch eine Umverteilung aus der Privat- und Selbstzahlerpraxis, die der Augenarzt noch immer am Marktplatz betreibt. „90 Prozent der Patientinnen und Patienten sind gesetzlich versichert. Es kann doch nicht sein, dass die zehn Prozent, die privat versichert sind, das ganze System noch am Laufen halten“, kritisiert Enke. Dass es für seine Praxis keinen Nachfolger gibt, sei für ihn „nicht tragisch“. „Aber für meine Kirchheimer Patienten tut es mir leid, weil sich doch über die vielen Jahre liebgewordene Verbindungen ergeben haben. Ich würde mir wünschen, dass doch noch eine Augenarztpraxis nach Kirchheim kommt“, sagt er.

Die Chancen dafür stehen jedoch im Moment nicht gut. Weil für Enkes Praxis kein Nachfolger gefunden werden konnte, fällt der Arztsitz weg, da der Landkreis Esslingen rein rechnerisch mit Augenärzten überversorgt ist (siehe Info). Stand heute darf weder in Kirchheim noch im ganzen Landkreis eine neue Praxis eröffnet werden. Das ist erst wieder möglich, wenn ein anderer Augenarzt seine Praxis aufgibt und keinen Nachfolger hat, erklärt Kai Sonntag, Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Baden-Württemberg. „Damit könnte sich ein Arzt aber grundsätzlich im gesamten Landkreis niederlassen“, sagt er. Dass das für die augenärztliche Versorgung im Landkreis und speziell in Kirchheim keine gute Nachricht sei, brauche nicht extra betont werden.

Dass Enkes Praxis möglicherweise auch deshalb unattraktiv für Nachfolger gewesen sein könnte, weil der Augenarzt vor Jahren Privat- und Kassenpraxis getrennt hat und nun eine Praxis, in der zu hundert Prozent gesetzlich Versicherte behandelt werden, übergeben wollte, weist dieser von sich. „Jeder Übernehmer einer Vertrags- bzw. Kassenarztpraxis wird natürlich auch Privatpatienten untersuchen“, sagt Enke. Am Anfang werde er nicht gleich viele Patienten haben wie der Praxisvorgänger. Dies werde aber von Jahr zu Jahr mehr werden, wenn er seine Arbeit hochwertig und zuverlässig erbringe.

Info Wer einen Augenarzttermin braucht, kann den Terminservice auf www.116117.de nutzen. Dort können online freie Termine bei Augenärzten im Landkreis eingesehen und vereinbart werden.

 

Warum der Landkreis für Augenärzte gesperrt ist

Laut Kassenärztlicher Vereinigung Baden-Württemberg (KV) ist der Landkreis Esslingen für die augenärztliche Versorgung rechnerisch überversorgt. Dies sei keine Einschätzung der KV, sondern ergebe sich daraus, dass der Gesetzgeber vorgegeben hat, dass aus Kostengründen nur eine bestimmte Anzahl an Ärzten einer Fachgruppe sich in einer Region niederlassen dürften, sagt KV-Sprecher Kai Sonntag. Weil dieses Kontingent bei den Augenärzten in Esslingen „übererfüllt“ sei, dürfe keine neue Praxis eröffnet werden und eine bestehende Praxis dürfe sich nicht vergrößern. adö