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Gedenk-Aktion: Kirchheimer erinnern an ermordete Frauen

Gewalt Auf dem Kirchheimer Marktplatz erinnern rote Schuhe an Frauen, die aufgrund ihres Geschlechts getötet worden sind. Ein solcher Femizid hat sich am 16. Februar 2022 in Kirchheim ereignet. Von Antje Dörr

Es sind Worte, die den Atem stocken lassen: „Ex-Freundin erwürgt“, steht auf einem Plakat, daneben ein Paar rote Schuhe, ein Efeu­zweig und eine Kerze. Auf dem Kirchheimer Marktplatz findet man an diesem Freitagnachmittag noch viele weitere Schuhpaare mit laminierten Plakaten. Jedes steht für eine Frau, die aufgrund ihres Geschlechts getötet worden ist – von ihrem Ehemann, Freund oder Ex-Partner. Die Aktion findet anlässlich des Internationalen Tags gegen Gewalt an Frauen statt. Veranstalter ist der Verein „Frauen helfen Frauen“, der in Kirchheim erste Anlaufstelle für all jene ist, die Gewalt erfahren müssen.

 

Jedes Jahr sterben mehr als 100 Frauen durch die Hand ihres Partners oder ehemaligen Partners.
Dr. Pascal Bader, Oberbürgermeister 

 

Die Aktion tut, was sie soll: Sie erregt Aufmerksamkeit für eine Sache, die viel zu oft bagatellisiert wird und häufig im Verborgenen stattfindet. Viele Passantinnen und Passanten bleiben stehen, erst ein wenig irritiert, dann betroffen und nachdenklich. „Wir haben heute schon Frauen getroffen, die sagen: Das schauen wir uns nicht an, das kennen wir aus eigener Erfahrung“, sagt Renate Dopatka von „Frauen helfen Frauen“, die die Aktion gemeinsam mit Kollegin Saskia Wiesner auf die Beine gestellt hat. Wiesner wünscht sich, dass mehr Menschen hinsehen, wenn sie den Verdacht haben, dass bei Freunden oder Nachbarinnen Gewalt im Spiel ist, oder wenn Menschen über Gewalterfahrungen sprechen. Das Erzählte nicht abtun, sondern es ernst nehmen, lautet ihr Tipp. „Es wird oft weggeschaut, weil das Thema unangenehm ist“, ergänzt Renate Dopatka. Und noch eines ist ihr wichtig: Wenn Betroffene im Frauenhaus anrufen, seien sie oft unsicher, „ob das schon Gewalt ist“, sagt sie. Gewalt fange aber früh an, mit Kontrolle, Eifersucht, Einschränkungen der Freiheit. 

Eines der Plakate erinnert an einen Fall, der Anfang des Jahres in Kirchheim für Entsetzen und Trauer gesorgt hat: Am 16. Februar hatte ein 59-jähriger Polizeibeamter auf dem Parkplatz des Nanz-Centers seine Ehefrau mit seiner Dienstwaffe erschossen und sich danach selbst getötet. Das 58-Jährige Opfer und der Mann hatten getrennt voneinander gelebt.

Innehalten: Besucherinnen lesen das Plakat, das an eine ermordete Frau erinnert. Foto: Markus Brändli

„Jedes Jahr sterben mehr als 100 Frauen durch die Hand ihres Partners oder ehemaligen Partners“, sagte Oberbürgermeister Dr. Pascal Bader in seiner Rede auf dem Kirchheimer Marktplatz. „Alle diese Frauen fehlen. Sie fehlen ihren Kindern und Freunden, sie fehlen in unseren Städten und Gemeinden.“ Man gedenke an diesem Tag der Frauen, die durch die Hand von Männern gestorben seien. „Wir denken auch an Frauen, die derzeit Gewalt erfahren müssen, und möchten ihnen die Hand reichen und ihnen Unterstützung zusichern.“ 

Bader sprach in seiner Rede auch von der „Gewaltspirale, die mit psychischer Gewalt beginnen könne und sich schließlich über häusliche körperliche Gewalt bis zu Tötungsdelikten steigere. „Einem Mord an der Frau – also einem Femizid – geht oftmals ein langer Leidensweg der Frau voraus“, sagte Pascal Bader. Angst und Scham spürten viele Frauen, die sich aus einer gewaltsamen und toxischen Beziehung lösen wollten. „Dabei zeigen sie mit dem Vorhaben, sich aus einer solchen Situation zu befreien, Mut und Stärke.“

Info Die Idee, mit roten Schuhe an ermordete Frauen zu erinnern, stammt von der mexikanischen Künstlerin Elina Chauvet. Ihr Ziel war, damit auf verschwundene, ermordete, vergewaltigte Frauen aufmerksam zu machen. Die roten Schuhe stehen für Liebe und Erotik, aber auch für Blut und das jähe Ende eines Lebenswegs. Ende 2020 fand in Esslingen erstmals eine solche Aktion statt, organisiert vom Referat für Chancengleichheit der Stadt Esslingen, vom Landratsamt und dem Verein „Frauen helfen Frauen“ Esslingen. Dabei wurden 135 Paar rote Schuhe aufgestellt, dazu 15 Paar Kinderschuhe, um den Kindern zu gedenken, die bei den Gewalttaten ums Leben kamen.

 

Hier bekommen Betroffene Hilfe

"Frauen helfen Frauen“ lautet der Name des Vereins, der in Kirchheim und anderen Städten Frauenhäuser betreibt. Sie bieten Opfern häuslicher Gewalt und ihren Kindern Schutz vor Partnern oder Ex-Partnern. Mehr Informationen gibt es unter www.frauenhaus-kirchheim.de​​​​​​. Die E-Mail-Adresse lautet info@frauenhaus-kirchheim.de. Anrufen kann man unter der Telefonnummer 07021/46553. Der Verein bietet auch Beratung an. Die Beratungsstelle hat ihren Sitz am Postplatz 7 in Kirchheim.

In akuten Fällen wählen Opfer häuslicher Gewalt die Nummer der Polizei: 110. adö