Kirchheim

Bauernproteste: Landwirte legen Verkehr an Autobahnauffahrt in Kirchheim lahm

Aktion Rund 100 landwirtschaftliche Fahrzeuge haben sich am frühen Montagmorgen an der Autobahnauffahrt Kirchheim-Ost ein. Es kam zu Staus und Behinderungen im Berufsverkehr. Gegen 9 Uhr wurde die Blockade aufgelöst, aber in der Kirchheimer Innenstadt gingen die Protestfahrten auch am Nachmittag weiter.

Auf dem Alleenring ging der Protest auch am Nachmittag weiter. Foto: Jörg Bächle

Kirchheim. Landwirte aus der Region haben am frühen Montagmorgen unter anderem die Autobahnauffahrt Kirchheim-Ost blockiert, auch in Weilheim gab es am Kreisel eine Blockade am Kreisel auf Höhe des Edeka-Marktes. Laut Angaben der Polizei war auch die Autobahnauffahrt in Weilheim blockiert. 

In Kirchheim kam es in der Folge im Berufsverkehr zu Behinderungen und Staus, insbesondere auf der B 465 und der B 297 Richtung Dettingen und Lenningen als auch Richtung Kirchheimer Innenstadt. Aber auch an den Abfahrten der A 8 stand zum Teil der Verkehr still.

Rund 150 Fahrzeuge, so schätzt der Lenninger Landwirt Michael Kuch, haben sich an der Protestaktion rund um die Autobahnauffahrt Kirchheim-Ost beteiligt. Den Bauern gehe es um Wertschätzung für ihre Arbeit und ihre Produkte sowie um zukunftsfähige Rahmenbedingungen, erklärte Kuch, der die Aktion koordinierte. Es gebe viel Anteilnahme und auch Verständnis seitens der Verbraucher, so der Landwirt. Der Kreisbauernverband hatte die Blockaden im Vorfeld angekündigt und angemeldet. 

 

 

Hintergrund der Protestaktionen sind die – inzwischen teilweise zurückgenommenen – Sparpläne der Bunderegierung, die eine Streichung der Kfz-Steuerbefreiung für landwirtschaftliche Fahrzeuge sowie den Wegfall von Steuerbegünstigungen von Agrardiesel vorgesehen hatten. Am Donnerstag waren Nachbesserungen bei den Subventionskürzungen beschlossen worden. Sie sind nach Ansicht des Bauernverbands zwar „ein erster richtiger Schritt, aber unzureichend“.

 

Unmut hat sich aufgestaut

Dass sich der Unmut schon länger aufgestaut hat, dafür hat der Lenninger Landwirt ein Rechenbeispiel parat. „Ich musste wegen einer neuen Verordnung ein Güllefass austauschen, für 100 000 Euro“, sagt er. Begründung der Behörden: Die Gülle müsse bodennah ausgebracht werden, der Ausfluss des alten Zehn-Kubik-Fasses war zu hoch und konnte nicht mehr umgerüstet werden. Seine jährlich 4500 Euro Mehrkosten wegen der Streichung der Agrardiesel-Subventionen sind dabei noch das geringere Übel. Immerhin sei die Kfz-Steuererleichterung für die Landwirtschaft geblieben, deren Rücknahme wäre noch schlimmer gewesen. „Wir haben als Direktvermarkter noch Glück“, sagt er. Doch andere Bauern mit einer 70- bis 80-Stunden-Woche würden nicht mehr weitermachen, wenn die Einkaufspreise der Handelsketten weiter sinken.

Die Gründe für die Proteste seien viel komplexer als es derzeit dargestellt werde, betont Kuch. Die Konkurrenz aus anderen Ländern, die weiter Subventionen bekommen, macht den hiesigen Bauern am meisten zu schaffen. „Wir fordern eine klare Herkunftsbezeichnung in den Läden“, sagt er. Denn die Auflagen, Kontrollen und Kosten seien in Deutschland im Vergleich extrem hoch.

Neben Michael Kuch steht Harry Schempp, er ist Handelsvertreter bei der BayWa-Gruppe und hat zahlreiche Landwirte als Kunden. „Ein Neubau kostet heute 25 bis 30 000 Euro pro Kuh. Vor zehn Jahren waren es etwa 8000 Euro“, sagt er. Viehhaltung sei aber wichtig, denn die Kreislaufwirtschaft funktioniere nicht ohne Tiere. „Wer soll denn das Gras fressen auf den Weiden, die Veganer?“, sagt er aufgebracht. So sei Tierdung gerade für biologische Landwirtschaft extrem wichtig. „Viele Biobetriebe müssen Mist zukaufen“, sagt er. Und: Wenn weiter Landwirte ihre Betriebe schließen, sei die Versorgung gefährdet. „Keiner investiert, wenn es keine Planungssicherheit gibt“, ergänzt Michael Kuch.

Doch nicht allen Demonstrierenden geht es um die Landwirtschaft, verschiedene Protestslogans sind zu sehen: „Stoppt die Maut“, „Wir sind das Volk“ oder „Zieht der Ampel den Stecker“. Eine Kirchheimerin, die namentlich nicht genannt werden möchte, hat auf Pappkarton einen Fragebogen mitgebracht, wo bereits angerkreuzt ist, was Politiker sind: „Angestellte“, die man „entlassen“ kann. Sie beklagt sich über das „rechte Framing“ der Proteste. Wer sich den Protesten der Landwirte anschließt, konnte Michael Kuch weitgehend über seine Whatsapp-Gruppe mit 700 Kontakten sehen. Von rechten Parteien habe es keine Kontaktversuche gegeben, in Nachbarlandkreisen hingegen schon.

Zu Verkehrsbehinderungen kommt es am Morgen und im Verlauf des Vormittags auch in Weilheim am Kreisel vor dem Supermarkt sowie an der Autobahnauffahrt. Nach Angaben der Polizei hat es dort aber keine Vollsperrung gegeben. Um 9.20 Uhr beenden die Veranstalter den Protest vor der Autobahnauffahrt. Im Landkreis gibt es aber immer wieder vereinzelte Korsos, auch in der Innenstadt von Kirchheim, wo am Nachmittag auf dem Alleenring immer wieder hupende Traktoren und Lkw fahren.

Die Bilanz der Polizei fällt am Abend positiv aus: Es habe lediglich zwei kleinere Unfälle in Rückstaus gegeben, Menschen seien dabei nicht zu Schaden gekommen.

Thomas Zapp / Bianca Lütz-Holoch