Kirchheim

Blaue Plakette sorgt für dicke Luft

Umfrage Eine neue Plakette soll den Smog in Stuttgart verbessern. Doch sie sorgt schon jetzt für dicke Luft. Die Meinungen der Kirchheimer Bürger sind zu diesem Thema geteilt. Von Melissa Seitz

Schadstoffbelastung ist schon seit Langem ein Problem in Stuttgart. Ein Fahrverbot für ältere Dieselmodelle soll das jetzt änder
Schadstoffbelastung ist schon seit Langem ein Problem in Stuttgart. Ein Fahrverbot für ältere Dieselmodelle soll das jetzt ändern. Fotos: Jean-Luc Jacques

In Grün, Gelb und Rot gibt es sie schon - ab 2018 soll es auch eine Blaue Plakette geben. Das beschloss jetzt das Landeskabinett. Doch was steckt hinter dieser mysteriösen Blauen Plakette? Ein komplettes Fahrverbot für Dieselmotoren in der Stuttgarter Innenstadt? Nicht ganz. Fahrverbot in der Landeshauptstadt gilt nur an den Tagen, an denen Feinstaubalarm in Stuttgart herrscht. Betroffen von diesem Verbot sind auch nur die Fahrzeuge, die eine schlechte Abgasreinigung haben. Die Blaue Plakette und damit die Erlaubnis, in den Stuttgarter Kessel zu fahren, würden nur Dieselfahrzeuge mit einer Abgasreinigung ab Euro 6 und Benziner ab Euro 3 erhalten. Für Ministerpräsident Wilfried Kretschmann ist dieser blaue runde Aufkleber „das Signal, dass es sauberen Diesel gibt“. Auch wenn in Kirchheim ein solches Fahrverbot nicht in Sicht ist, die Bürger rund um die Teck beschäftigt das Thema trotzdem.

„Beim Tanken macht sich das Verbot nicht bemerkbar,“ sagt Jörg Lipp von der Kirchheimer Esso-Tankstelle. Dass Super nun besser laufen würde und seine Kunden ihre Dieselautos stehen lassen, davon merkt der Tankexperte nichts. Die Kunden tanken immer noch Diesel und werden seiner Meinung nach auch weiterhin Dieselautos kaufen. „Das Verbot ist doch Blödsinn,“ sagt er. „Das allein bringt doch nichts.“ Man könne doch nicht nur mit einer einzigen neuen Auflage effektiv gegen die Feinstaubbelastung in Stuttgart vorgehen.

Auch Elke Kaiser teilt diese Meinung. Feinstaubalarm wird es ihrer Meinung nach wohl mit dem neuen Verbot weniger geben, aber auf Dauer müsse eine bessere Lösung her. „Vielleicht sollte man auch einfach nicht mehr so viele Dieselautos produzieren“, schlägt sie vor. Sie selbst trifft das Verbot nicht, denn sie betankt ihr Auto mit Super.

Bus und Bahn anstatt Diesel

Ganz anders sieht Robby Ivicevic die Sache. Er findet das Fahrverbot für Dieselmotoren genau richtig. „Stuttgart leidet doch sowieso unter einer starken Feinstaubbelastung. Da ist so ein Verbot nötig.“ Sein Geschäftsauto ist ein Diesel, „aber mit dem muss ich sowieso nie nach Stuttgart rein“, sagt er. Diesel-Fahrern rät Robby Ivicevic, auf den Nahverkehr umzusteigen und das Angebot von Bus und Bahn zu nutzen. Doch er fürchtet auch, dass sich viele Autofahrer nicht an das Fahrverbot halten werden: „Auswärtige, die Stuttgart als ihr Ziel haben, werden sich sowieso nicht daran halten und weiterhin mit ihrem Diesel in die Innenstadt fahren.“

Anne Röse fährt auch ein Dieselauto und denkt, dass das Verbot nichts bringt. „Wenn man durch Stuttgart durch muss, um zu seinem Zielort zu gelangen, wird man ja keine Bahn nehmen, nur um da durchzufahren“, stellt sie fest. Ihrer Meinung nach sollte man sich Gedanken um die Industrie machen, und Schornsteine rund um Stuttgart stilllegen. Einen Umstieg von Diesel- auf Elektroautos ist für sie ebenfalls der falsche Weg: „Für die Herstellung der Akkus für Elektro-Autos wird auch Kohlenstoffdioxid ausgestoßen.“

Für total gerechtfertigt hält Hans-Peter Bauer die Blaue Plakette und das damit zusammenhängende Fahrverbot. „Man muss ja schließlich an die Leute in Stuttgart denken,“ sagt er, „da ist so ein Verbot dringend notwendig.“ Er ist auch davon überzeugt, dass das Verbot etwas bringen wird. „Die Leute sollten außerdem auf die Bahn umsteigen oder das eigene Rad nehmen“, stellt der leidenschaftliche Fahrradfahrer fest. Er selbst ist zur Arbeit nach Esslingen immer mit seinem Drahtesel gefahren. Doch das Feinstaubproblem ist laut Hans-Peter Bauer mit der Plakette nicht gelöst: „Auch in Fabriken muss sich was ändern.“

„Man hat lange Diesel propagiert und nun verbietet man Dieselfahrzeuge in Stuttgart“, sagt Martin Schrägle, „davon halte ich nichts.“ Ihn selbst trifft das Verbot nicht wirklich: „Wenn ich nach Stuttgart fahre, dann nehme ich die Bahn.“ Doch sein Sohn muss jeden Tag von Stuttgart-Heslach nach Ulm und fährt auch wie sein Vater einen Diesel. „Eigentlich sollte man den kompletten Verkehr in Stuttgart verbieten. Das wäre die beste Option“, sagt Martin Schrägle im Hinblick auf das Feinstaubproblem.

Jörg Lipp
Jörg Lipp
Elke Kaiser
Elke Kaiser
Robby Ivicevic
Robby Ivicevic
Anne Röse
Anne Röse
Hans-Peter Bauer
Hans-Peter Bauer
Martin Schrägle
Martin Schrägle