Kirchheim
Hoffen auf die Verpackungssteuer

Umwelt Seit einem Jahr gibt es die Mehrwegangebotspflicht. Auch in Kirchheim machen viele Gastronomiebetriebe, Bäckereien und Metzger mit. Dennoch fällt die Bilanz der AG Plastikfrei durchwachsen aus. Von Andreas Kaier

Mikroplastik in den Meeren und immer knapper werdende Rohstoffe sind nur zwei folgenschwere Aspekte des immer größer werdenden Müllbergs. Um dem zu begegnen, gibt es seit einem Jahr in den Ländern der Europäischen Union die sogenannte Mehrwegangebotspflicht. Gastronomie- und andere Betriebe ab einer Verkaufsfläche von 80 Quadratmetern und mit mindes­tens fünf Mitarbeitern, die Speisen und Getränke „to go“ verkaufen, müssen ihren Kunden seit Anfang 2023 mindestens eine Mehrwegalternative anbieten. Kleinere Betriebe sind dazu nicht verpflichtet, müssen aber auf Wunsch ihrer Kunden deren mitgebrachte Gefäße befüllen.

Obwohl die Stadt Kirchheim laut dem Kirchheimer Nachhaltigkeitsbeauftragten Kai Bullach in Sachen Mehrwegangebot auf einem guten Weg ist und im bundesweiten Vergleich gut dasteht, fallen sein und das Fazit der Arbeitsgruppe Plastikfrei ernüchternd aus. Bullach spricht trotz aller Erfolge in Kirchheim – dort bieten von 84 im vergangenen Sommer befragten Betriebe etwa 48 Prozent Mehrwegbehälter an – von einem „Rohrkrepierer“ und von einem „Flop“.

 

Wir gehen davon aus, dass die Leute nur über das Geld zum Nachdenken kommen.
Sabine Lauterwasser
Die Kirchheimer Grünen-Stadt­rätin zur Notwendigkeit einer Verpackungssteuer

 

Bullach und seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter kritisieren vor allem, dass die Mehrwegpflicht nur für Verpackungen aus Kunststoff gilt. „Die Betriebe können dadurch einfach auf Verpackungen aus Aluminium oder Bagasse umstellen und müssen dann keine Mehrweggefäße mehr anbieten“, kritisiert Bullach. Das sei sehr dürftig gelöst. Zudem werde das Gesetz zur Müllvermeidung nicht nur in Kirchheim fast nicht kontrolliert. Dass es kaum Kontrollen gibt, führt Sabine Lauterwasser, die für Bündnis 90/Die Grünen im örtlichen Gemeinderat sitzt und Mitglied der AG Plastikfrei ist, auf den Personalmangel beim dafür zuständigen Landratsamt zurück und darauf, dass viele Betriebe bislang noch gar nicht erkannt hätten, wie wichtig das Thema Mehrweg sei und es auch zu viele Schlupflöcher gebe.

Um möglichst viele Menschen für das Thema Müllvermeidung zu sensibilisieren und die Mehrwegangebotspflicht in der Stadt bekannter zu machen, hat die AG Plastikfrei im vergangenen Jahr einige Aktionen und Infoveranstaltungen durchgeführt. So stellten die Mitglieder beispielsweise auf dem Nachhaltigkeitsmarkt im Juli das Ergebnis ihrer Umfrage unter den Betrieben vor und ließen Passanten an ihrem Stand darüber abstimmen, ob es auch in Kirchheim wie schon in Tübingen eine Verpackungssteuer geben soll.

Von 50 Passanten, die mitmachten, haben sich 96 Prozent für eine solche Steuer ausgesprochen. Einen entsprechenden Prüfantrag, ob eine Verpackungssteuer auch in Kirchheim möglich sei, hatte die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen laut Lauterwasser bereits im vergangenen Jahr im Gemeinderat eingebracht. Weil jedoch gegen die Tübinger Verpackungssteuer inzwischen Verfassungsbeschwerde eingelegt worden ist, hat das Gremium den Antrag zurückgestellt, bis im Herbst das Bundesverfassungsgericht endgültig entschieden hat. „Dann werden wir sofort wieder einen entsprechenden Antrag einbringen“, versichert Lauterwasser. „Wir gehen davon aus, dass die Leute nur über das Geld zum Nachdenken kommen“, sagt sie und hofft, dass es vielleicht einmal eine bundesweite Verpackungssteuer geben wird.

Die Bürgerinnen und Bürger bittet die AG Plastikfrei, bis dahin in den einzelnen Betrieben vermehrt Mehrwegverpackungen einzufordern oder ihre eigenen Gefäße mitzubringen.