Kirchheim
„Warst du das nicht gestern im Club?“

Mobbing Ein pikantes Video macht in Kirchheim die Runde. Viele denken, Alena S. ist darauf zu sehen. Sie zeigt Mut und reagiert sofort auf die Gerüchte. Von Melissa Seitz

Hinter einer ganz einfachen Frage steckt für Alena S. ein richtiges Drama, mit dem sie lieber nichts zu tun haben würde. „Warst du nicht gestern auch in diesem Club?“ So lautete die Frage, die ihr ein Unbekannter auf Facebook stellte.

Ein ganz gewöhnlicher Freitagabend - zwei junge Menschen starten ihr Wochenende nun eben mal so, wie es junge Menschen machen: in einem Club. In diesem Fall in einem Club in Kirchheim. Doch nicht alles an diesem Abend ist gewöhnlich. Das hier ist kein normaler Party-Abend mit Freunden. Es ist schon spät, und der Alkoholpegel hat das Schamgefühl herabgesetzt. Eine Hemmschwelle gibt es nicht mehr. Da fällt das Flirten leichter, und schnell ist eine junge Dame für den Abend auserkoren. Der Mann verschwindet mit seiner Eroberung in der Männertoilette.

Was in der Kabine abgeht, können sich viele ausmalen. Doch viel Vorstellungskraft ist hier gar nicht mal nötig, denn was die beiden dort treiben, gibt es auf Video. Und als sei das nicht genug: Dieses Video kursiert nun in zahlreichen Whats-App-Gruppen und ist in Kirchheim das Gesprächsthema schlechthin.

Was hat die Kirchheimerin Alena S. nun damit zu tun? Eigentlich nichts. Doch das glaubten einige am Anfang nicht. Viele hielten sie für die Frau, die man auf dem Video nur von hinten sieht. Und dieses Gerücht wurde womöglich auch von demjenigen in Umlauf gebracht, der das Video aufgenommen und veröffentlicht hat. Und so flatterten Freundschaftsanfragen über Freundschaftsanfragen in ihren Facebook-Eingang. „Ich war gerade in London, als ich plötzlich ganz viele Nachrichten erhielt“, erinnert sich die 18-jährige Kirchheimerin, „ich wusste in diesem Moment gar nicht, wieso.“

Lange blieb sie jedoch nicht im Ungewissen. Auch ihr wurde dann das Video geschickt. „Mir wurde sofort klar, was los ist,“ erzählt Alena S., „alle dachten, ich bin die Frau auf dem Video.“ Der Urlaub war gelaufen, die Laune am Boden. Ihrer Wut ließ die Kirchheimer Kellnerin freien Lauf. „Ich bin ein Mensch, der sagt, was er denkt. Ich musste einfach etwas dazu sagen.“

Und so tat sie es demjenigen gleich, der das pikante Video veröffentlicht hatte - auch sie postete ein Video. Der Unterschied: Ihr Video ist für die Öffentlichkeit gedacht und zeigt Stärke. Das Club-Video hingegen hätte nie in Umlauf geraten sollen.

„Ich bin enttäuscht von den Menschen, die glauben, ich sei das auf dem Video. Ich bin enttäuscht von den Jungs, die mir dadurch Freundschaftsanfragen oder Nachrichten geschickt haben. Und natürlich auch von der Person, die das Gerücht verbreitet hat, dass ich das bin“, sagt die 18-Jährige in ihrem öffentlichen Video auf Facebook. Die Reaktionen sind gemischt. Von manchen erhält Alena S. ermutigende Worte, doch andere wiederum können sich schnippische Kommentare nicht verkneifen. „Das war mir aber egal. Ich musste dazu etwas sagen.“

Das Video wurde fast so berühmt wie das aus dem Club. Es wurde geteilt, kommentiert und gelikt. Der Name „Alena“ war nun fester Bestandteil im Drama rund um das pikante Szenario in dem Kirchheimer Club. 4 000 Klicks erreichte das Video auf Facebook, bis sie es wieder löschte. „Ich habe gesagt, was ich wollte, und es hat die Menschen erreicht. Es gab keinen Grund, das Video länger online zu lassen“, sagt die 18-Jährige. „Ich wollte die Sache irgendwann auch wieder ruhen lassen.“

Mit dem Trubel um ihre Person und dem Video geht die Kirchheimerin souverän um. „Wenn jemand was zu dem Video wissen will - oder wissen will, ob ich das auf dem Video bin - dann soll derjenige mich direkt ansprechen“, sagt die 18-Jährige. Anfangs hatte sie Angst, in der Stadt dumm angeschaut zu werden, doch nun lacht sie nur darüber.

„Ich muss gestehen: Als ich nach der Veröffentlichung des Videos wieder arbeiten gegangen bin, hatte ich Angst, dass ich dadurch meinen Kellnerjob verliere“, sagt die Schülerin. Doch Sorge um ihr Image und ihren Job musste sie nicht haben - ganz im Gegenteil. „Mein Chef wusste, dass ich so etwas nicht machen würde.“ Auch ihre Familie und Freunde stehen hinter ihr. Selbst Bekannte, von denen sie lange Zeit nichts gehört hatte, sind begeistert von ihrer selbstbewussten Art.

Inzwischen wissen die meisten, wer eigentlich auf dem Video zu sehen ist, und dass die abgebildete Frau nicht Alena S. ist. Doch wer die pikante Szene gefilmt und schließlich verschickt hat, das weiß die Kirchheimerin immer noch nicht.

Dass es sich hier um Cybermobbing handelt und dass es strafbar ist, ein solches Video zu filmen und es dann ohne die Zustimmung der Personen zu veröffentlichen und zudem auch noch Gerüchte in die Welt zu setzen, darüber war sich derjenige, der das Video mit seinem Handy filmte, wohl nicht im Klaren. „Sollte ich herausfinden, wer es gepostet hat, dann werde ich ihn anzeigen“, verspricht die Kirchheimerin.

Was viele nicht wissen: Auch all die Menschen, die sie mit dummen Kommentaren und niveaulosen Anspielungen überhäuften, könnte die 18-Jährige anzeigen. Dabei handelt es sich nämlich ebenfalls um Cybermobbing.

Doch diese Personen haben Glück, dass Alena S. so stark ist und jetzt nur noch über den ganzen Vorfall lachen kann.