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Hilfe für einen Neustart nach der Haft

Wohngruppe  Das Angebot von „Prävent Sozial“ soll ehemalige Häftlinge bei der Resozialisierung unterstützen. Von Kerstin Dannath

Seit einigen Wochen wohnt Stefan Müller in einer betreuten Wohngruppe in der Esslinger Bismarckstraße. Träger ist die gemeinnützige Organisation „Prävent Sozial“, die zum Bewährungshilfeverein Stuttgart gehört. Stefan Müller heißt eigentlich anders, seinen richtigen Namen will der 47-Jährige nicht in der Zeitung lesen. Man kennt ihn in Esslingen. Eine schwierige Trennung nach einer langjährigen Beziehung hat das Leben des Industriekaufmanns auf den Kopf gestellt. Es folgten schwere Depressionen, seitdem ist Müller krankgeschrieben. „Ich will endlich wieder die Kurve kriegen“, sagt er.

Müller erinnert sich, dass er sich vor 25 Jahren schon einmal in einer herausfordernden Situation befand. Nach einem Strafdelikt mit anschließender Untersuchungshaft kam er in einer betreuten Wohngruppe von Prävent Sozial in Nürtingen unter. „Startschwierigkeiten in das junge Erwachsenenleben“ nennt er diese Phase im Rückblick. Ein Anruf bei Prävent-Sozial-Geschäftsführer Rainer Kanzler brachte ihm auch jetzt Hilfe: „Er hat mir hier in Esslingen einen Platz angeboten.“ Nach einer Sanierung wurden die Wohnplätze seit Juli nach und nach wieder belegt. Platz gibt es für acht Bewohner, die von Sozialarbeitern betreut werden.

Derzeit wohnen dort nur Männer, wie Sozialarbeiterin und Wohngruppenleiterin Sabrina Fürst berichtet – bei Männern sei der Bedarf größer, zudem seien Frauen eher ungut für die Gruppendynamik. Das erklärt auch Sabine Kubinski, Prokuristin bei Prävent Sozial und zuständig für Kommunikation und Projektentwicklung: „Wir haben Frauen nur vereinzelt in den betreuten Wohngruppen, es ist die Ausnahme.“ Diese würden eher im eigenen Wohnraum betreut.

Insgesamt unterhält die gemeinnützige Organisation drei solcher Einrichtungen im Landkreis, neben Esslingen gibt es auch Häuser in Leinfelden-Echterdingen und in Nürtingen. Insgesamt stehen 20 Plätze zur Verfügung. In Esslingen liegt der Fokus auf ehemaligen Häftlingen, direkt nach der Haftentlassung. „Die Zimmer sind für Menschen direkt nach der Straffälligkeit oder für von Straffälligkeit bedrohte Personen gedacht“, sagt Kubinski.

Ohne Unterstützung geht es nicht

Stefan Müller ist also eher die Ausnahme. Er habe sich das gut überlegt, sagt er, der nach elf Jahren in fester Beziehung inklusive eigener Wohnung und nach 21 Jahren beim selben Arbeitgeber aus recht aufgeräumten Verhältnissen kommt: „Ich habe mich schon auf eine Art Kulturschock gefasst gemacht.“ Allerdings war ihm klar, dass er psychologische Unterstützung braucht. „Ich habe diverse Beratungsstellen aufgesucht und hätte dort nur mit viel Glück alle 14 Tage einen einstündigen Gesprächstermin bekommen“, sagt er.

Letztlich überwogen die positiven Aspekte der Esslinger Wohngemeinschaft. Die Einrichtung verfügt über zweieinhalb Stellen – jemand zum Reden ist eigentlich fast immer da. Auch mit dem Mann, mit dem er sich eine Etage teilt, versteht sich Müller gut. Von den anderen Bewohnern habe er noch nicht viel gesehen. „Einige arbeiten bereits“, erklärt Fürst. Das sei der erste Schritt in eine gelungene Resozialisierung. Mindestens einmal in sieben Tagen müssten sich die Bewohner bei den Sozialarbeitern melden. „Sich vier Wochen nicht blicken lassen, geht gar nicht“, stellt Fürst klar.

Kubiniski betont, dass es sich bei dem Projekt nicht um ein normales Mietverhältnis handelt: „Die Bewohner gehen einen Betreuungsvertrag ein. Der Wohnplatz ist gekoppelt an die Betreuung.“ Die Wohngebühren tragen die Bewohner selbst, oder das Jobcenter übernimmt sie. Die Betreuungsgebühren gehen extra, Kostenträger ist das Sozialamt. Erfahrungsgemäß bleiben die Bewohner zwischen zwei und zweieinhalb Jahren in den Einrichtungen. „Aber wir setzen danach niemanden auf die Straße“, so Fürst.

Mehr Bewerbungen als Plätze

Vor dem Neustart des Hauses in der Bismarckstraße sei in den Gefängnissen regelrecht Akquise betrieben worden, sagt Kubinsiki. Denn es gab mehr Bewerbungen als Plätze. „Wir waren wochenlang in den Haftanstalten unterwegs und haben Bewerbungsgespräche geführt“, sagt Fürst. Die Ex-Häftlinge kommen vornehmlich aus den Haftanstalten in Stuttgart, Heimsheim, Schwäbisch Hall und Rottenburg. Prävent Sozial bietet ihnen ein Zuhause für eine gewisse Zeit. „Wir wollen Stabilität vermitteln“, sagt Kubinski. Stefan Müller weiß das zu schätzen – auch wenn sein Hintergrund ein anderer ist: „Das hier soll die Basis sein, damit ich mein Leben wieder selbst in die Hand nehmen kann.“