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In Cambine fließt jetzt „Sonnenwasser“

Hilfe Sieben Jahre arbeiteten Renate und Claus Härtner aus Kirchheim in einer Missionsstation in Mosambik. Von Anke Kirsammer

Es war der Aufbruch ins Unbekannte, als Renate und Claus Härtner 2014 für sieben Jahre im Auftrag der Weltmission der Evangelisch-methodistischen Kirche (EmK) nach Mosambik gingen. Das Wagnis hat sich gelohnt. „Es war mit unsere schönste Zeit“, sagt Claus Härtner. Was das Kirchheimer Ehepaar zu dem arbeitsintensiven Aufenthalt angetrieben hatte? „Ich war vom Afrikavirus infiziert“, erklärt der frühere Pastor der Kirchheimer Zionskirche. Vor der Abreise arbeitete er 15 Jahre lang als Orthopädietechniker. Gefesselt hatte ihn eine Doku über Minenopfer in Afrika. Für sie wollte er Prothesen anfertigen. Doch in der Missionsstation Cambine in Mosambik angekommen, war bald klar, dass diese Fähigkeit nicht gefragt war. „Die Leute machen kein Drama daraus, wenn ihnen ein Unterschenkel fehlt“, erzählt Renate Härtner. „Sie behelfen sich mit Krücken und sind einfach froh, am Leben zu sein.“ Es ist generell die Fröhlichkeit der Menschen des bitterarmen Landes, die das Ehepaar beeindruckt.

Auch wenn keine Prothesen nötig waren, – sein handwerkliches Geschick konnte Claus Härtner vielfach anwenden. Er baute in der Missionsstation eine Schreinerei auf, sorgte mit Solartechnik für „Sonnenwasser“ und reparierte vom Bügeleisen über Handys, Nähmaschinen und Wasserkocher alle möglichen Geräte. Eine der größten Aufgaben war der Wiederaufbau von Häusern, die beim Zyklon „Dineo“ 2017 zerstört worden waren. „Ich habe mir genau angeschaut, welche Gebäude dem Sturm standgehalten hatten“, sagt er. Es brauchte eine gehörige Portion Beharrlichkeit, um die Einheimischen davon zu überzeugen, dass die Häuser Stein auf Stein und mit einem verschraubten Dach errichtet werden mussten. Wo es ging, band „der Weiße“, wie er von allen genannt wurde, die Männer, die oft nur eine sehr schlechte Schulbildung hatten, beim Schlitzklopfen, beim Einsetzen von Türen und anderen Arbeiten mit ein. Schwierig war es, an Material zu kommen: „Gab es beispielsweise Rohrverbindungen zu kaufen, habe ich gleich zehn Stück genommen“, erzählt der 62-Jährige lachend. „Ich wusste, irgendwann brauche ich sie.“

 

Ich war vom Afrikavirus infiziert.
Claus Härtner
Eine Doku inspirierte ihn dazu, Minenopfern zu helfen.

 

Der Part von Renate Härtner war neben der Verwaltungsarbeit im Kinderheim, den Theologiestudentinnen das Nähen beizubringen. Gefertigt wurden  Capulanas, praktische Wickelröcke aus knallbunten Stoffen, oder Rucksäcke und Taschen aller Art. „Dadurch können sich die Frauen immer etwas dazuverdienen und sind unabhängig“, sagt die Logopädin. Bis sie den Umgang mit der Nähmaschine gelernt hatten, brauchte es Geduld. „Durch das Raspeln von Kokosnüssen, das Stampfen von Erdnüssen und die Feldarbeit haben sie in erster Linie grobmotorische Fähigkeiten“, erklärt Renate Härtner. Deutlich habe sich auf den ausgedörrten Feldern in den vergangenen Jahren der Klimawandel gezeigt. Mangelernährung herrsche aber auch durch einseitige Bewirtschaftung. „Die Traditionen zu durchbrechen, ist schwierig“, so die Erfahrung der 57-Jährigen. Um sich mit Lebensmitteln wie beispielsweise Käse einzudecken, fuhren sie und ihr Mann regelmäßig in die Stadt und alle drei Monate 500 Kilometer weit in die Hauptstadt Maputo.

Die Fahrdienste des Ehepaars wurden auch von den Einheimischen in Anspruch genommen. Renate Härtner schluckt, wenn sie daran denkt, wie sie einen sechsjährigen, plötzlich an Malaria erkrankten Jungen ins Krankenhaus bringen sollte. „Morgens war ihm noch nichts anzumerken“, erzählt sie.“ In den Armen seiner Oma starb der Junge auf dem halben Weg in die Klinik. Der Tod sei allgegenwärtig in dem Land. Welche Rolle Corona spielte, sei schwer zu sagen. „Es sind viele Menschen gestorben, aber wir wussten nicht woran.“ Um sich testen zu lassen, musste man ins Krankenhaus. Auf die 30 Millionen Einwohner Mosambiks kamen täglich nur 2500 Coronatests. Das Ergebnis lag erst eine Woche später vor. „Wir haben Masken genäht und sie konsequent getragen“, sagt Renate Härtner. Ihr Mann baute eine Handwaschstation, bei der sich der Seifenspender und der Wasserhahn mit dem Fuß betätigen ließen. Das „Patent“ schauten sich sogar Vertreter der Regierung an.

Zurück in Kirchheim, vermisst Renate Härtner die Sonne  und  den frischen Fisch aus dem nur knapp eine Stunde entfernten Indischen Ozean, über dessen Strände und Lagunen sie ins Schwärmen gerät. Das Wohnen im Grünen wird auch Claus Härtner fehlen. Er beginnt zu schmunzeln: „Wir wurden jeden Morgen von Hähnen, Vögeln, Affen und quietschenden Ochsenkarren geweckt.“  

Am Sonntag, 7. November, berichten Renate und Claus Härtner um 10 Uhr im Gottesdienst der Zionskirche, Armbrustraße 23, in Kirchheim von ihrem Aufenthalt. Am Dienstag, 9. November, halten sie  um 19.30 Uhr in Weilheim im „Café Wesley‘s“ einen Vortrag.

 

Zur Missionsstation gehören Schulen und Werkstätten

Die Missionsstation Cambine existiert bereits seit mehr als 100 Jahren. Hauptsächlich wird sie von Evangelisch-methodistischen Kirchen mit Personal und Spenden unterstützt. Zu Cambine gehören neben einem theologischen Seminar unter anderem Schulen, Werkstätten und ein Waisenhaus. Ohne Schüler leben dort 1500 Menschen.

Mosambik liegt in Südostafrika und ist eines der ärmsten Länder der Welt. Auf 1000 Menschen kommen 7,5 Autos. Im Vergleich dazu sind es in Deutschland 565. Die Amtssprache ist Portugiesisch. Das Land hat 30 Millionen Einwohner. 45 Prozent der Bevölkerung ist unter 14 Jahre alt, nur drei Prozent über 65. Die durchschnittliche Lebenserwartung liegt bei 61.ank