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Wie Kakao und Chili

Trauer Der Arbeitskreis „Schnitt.Leben“ lud nach Unterlenningen zu einem Abend über Bestattungsformen und die Vorbereitung für den letzten Weg ein. Von Anke Kirsammer

Was haben Kakao und Chili mit Leben und Tod zu tun? Beides liegt weit auseinander und passt doch zusammen. Mit dem geschmacksexplosiven Geschenk an die Referenten beendete Carmen Karsunke den Themenabend „Gut vorbereitet für den letzten Weg“. Veranstalter des Abends im Unterlenninger Gemeindehaus war der Arbeitskreis „Schnitt.Leben“ des Vereins „Unser Netz“. Trotz des ernsten Themas: Ganz so schwer wie viele erwartet hatten, war die Kost über weite Strecken nicht. Dazu trugen unter anderem die langjährige Bruckener Pfarrerin Margret Oberle und Giovanni Incorvaia vom Kirchheimer Bestattungsinstitut Holt bei.

Das durch zahlreiche Beerdigungen und Trauerfeiern eingespielte Team sprach über die sich verändernde Trauerkultur und verschiedene Bestattungsformen. Ob tödliche Unfälle auf der Autobahn und Alarmbereitschaft rund um die Uhr – Margret Oberle bringt dem einfühlsamen Bestatter Hochachtung für das entgegen, was er leistet. Fast die Hälfte seines Lebens arbeitet der 33-Jährige, den in Kirchheim und Umgebung viele als „Gio“ kennen, bereits in seinem Beruf. Das generationenübergreifende Gespräch war sehr persönlich: Für die Pfarrerin im Ruhestand kommt nur eine Erdbestattung infrage. Für Giovanni Incorvaia nur eine Feuerbestattung. Dass ausschließlich die eigene Asche in der Urne landet, ist für ihn ein Argument. Margret Oberle dagegen erscheint die Beerdigung homogener, wenn am Ende ein Sarg in die Erde gelassen wird.
 

Das Sterben gehört zum Leben dazu.
Silvia Ruoff
Die Lenninger Standesbeamtin machte Mut, über Bestattungsformen zu sprechen. 

 

Doch egal, wofür sich jemand entscheidet, und auch wenn es vielen nicht leicht fällt, darüber zu sprechen: Unisono ermunterten die beiden dazu, sich mit dem eigenen Sterben zu beschäftigen. So könne man beispielsweise in einem herausstechenden roten Ordner Dokumente wie das Tes­tament hinterlassen, aber auch, wie man bestattet werden möchte. In seinem beruflichen Alltag hatte der Bestatter schon Geschwister vor sich sitzen, die nach dem Tod eines Elternteils nicht auf einen Nenner kamen. Ihm blieb nichts anderes übrig, als sie darum zu bitten, sich zu einigen und dann erneut zu kommen.

Wie es anders laufen kann, spürte Giovanni Incorvaia am eigenen Leib, als im Frühjahr sein Vater mit 67 Jahren ganz plötzlich verstarb: „Wir wussten genau, was er wollte, und konnten ihm seinen Wunsch erfüllen“, erzählte er. Das erlebte er als genauso wohltuend wie die große Anteilnahme – egal ob übers Handy oder auf dem Friedhof. Wie eine hinter ihm stehende Mauer habe er die Menschen wahrgenommen. „Die Leute wollen einem zur Seite stehen. Mir hat das Kraft gegeben“, sagte er. Ebenfalls aus eigener Erfahrung gab er den rund 60 Besucherinnen und Besuchern mit auf den Weg, sich als Nachbarn oder Freunde nicht nur in den ersten Tagen und Wochen bei den Hinterbliebenen zu melden, sondern auch, wenn einige Zeit nach dem Tod verstrichen ist. Bei einem Kaffee etwa über den immer noch schmerzenden Verlust sprechen zu können, tue ihm auch nach Monaten gut.

Friedhöfe sind Orte der Begegnung

Hinter den Trend, Familienangehörige im engsten Kreis zu beerdigen, setzte auch Margret Oberle ein Fragezeichen: „Ein Verstorbener ist nicht nur mein persönlicher Toter“, meinte sie. Vielmehr habe er beziehungsreich gelebt. Wenn Hinterbliebene auf diese Art „die Stacheln stellen“, mache das ein Stück weit einsam. Für sie sind naturnahe Friedhöfe Orte des Lebens und der Begegnung. So hätten ältere Menschen während der Corona-Pandemie andere fast nur noch auf dem Friedhof getroffen.

„Gehen Sie auf die Friedhöfe, gucken Sie sich die Gräber an“, so lautete Giovanni Incorvaias Appell. Dazu hatte zuvor auch die Standesbeamtin der Gemeinde Lenningen, Silvia Ruoff, eingeladen. „Das Sterben gehört zum Leben dazu“, machte sie deutlich. In den vergangenen Jahren hat die Kommune auf ihren fünf Friedhöfen ganz unterschiedliche Grabformen geschaffen. Das Angebot reicht vom klassischen Reihengrab und Urnengemeinschaftsgrabanlagen, die es auf allen Friedhöfen gibt, bis zu besonderen Formen wie Rasengräbern und an einen Friedwald erinnernde Baumfelder. Für viele Angehörige sei es wichtig, eine Anlaufstelle zu haben. „Der Ort gibt den Trauernden Halt und Trost“, verdeut­lichte Silvia Ruoff. Wie anderswo, so ist auch in Lenningen der Wandel in der Friedhofskultur zu spüren: Während klassische Erdbestattungen abnehmen, werden pflegeleichte Grabstätten ver­stärkt nachgefragt. „Unterhalten Sie sich mit Ihren Angehörigen“, bat die Rathausmitarbeiterin. „Lassen Sie sie mit der Entscheidung nicht allein.“ Dazu gehöre auch, den Wunsch etwa von Kindern zu respektieren, die vielleicht keine intensive Grabpflege leisten können, aber doch ab und zu eine Blume oder etwas anderes ablegen möchten. Für einen besinnlichen Abschluss des Abends sorgten Jörg Karsunke mit der Klarinette und Pfarrerin Corinna Schubert.

 

Weitere Infos finden sich in dem Leitfaden „Gut vorbereitet für den letzten Weg“, den es in den Lenninger Rathäusern gibt, beziehungsweise 
von Dezember an im Internet unter
www.lenningen.de

 

Lesen Sie dazu auch das Interview "Man muss sehr einfühlsam sein"