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„Wollgefühl“-Inhaberin: ​​​​​​Die treue Kundschaft hat ihr Kraft gegeben

Schicksal​ Nach einem Schlaganfall hat sich Gabriele Liburdi-Sindlinger ins Leben zurück ­gekämpft und steht wieder in ihrem Weilheimer Geschäft für Strickwolle. Von Thomas Zapp

An ihre letzten Worte vor dem Schlaganfall kann sich Gabriele Liburdi-Sindlinger noch erinnern. „Alles ist gut, ich hab nichts“, sagte sie ihrem Mann, als sie auf dem Sofa saß und zur Seite kippte. „Zum Glück war ich damals zu Hause und nicht alleine“, sagt sie heute. Ihrem Mann wurde schnell klar, dass jede Sekunde zählt und rief den Notarzt. Im Krankenhaus stellten die Ärzte dann zwei große Blutgerinnsel im Gehirn fest, die sofort operiert werden mussten.

Nach dem Eingriff war sie halbseitig gelähmt und auf den Rollstuhl angewiesen. An die Zeit erinnert sich Gabriele Liburdi-Sindlinger ungerne. „Die Sprache war weg, das Schlucken fiel mir schwer. Es war der reinste Horror“, erzählt sie. Damals sei sie in ein tiefes Loch gefallen. 

Angesichts der Schwere des Schlaganfalls ist es ein kleines Wunder, dass die heute 58-Jährige rund 20 Monate später wieder in ihrem Geschäft „Wollgefühl“ in der Weilheimer Innenstadt steht, einem beliebten Fachgeschäft für hochwertige Strickwolle, Handstrick-Garne und Handarbeitszubehör. „Es fühlt sich gut an“, sagt sie. Die Ärzte hätten nicht gedacht, dass sie so weit komme, erzählt sie. Vermutlich hat es mit ihrer körperlichen Konstitution zu tun: Seit 36 Jahren macht sie Ausdauersport, hat sich immer gesund ernährt, weder geraucht noch Alkohol getrunken. „Meine Blutwerte waren immer super“, sagt sie. Als sie nach drei Monaten aus dem Krankenhaus kam, konnte sie zu hause bald ohne Stock laufen. 

Da die Erkrankung in die Zeit des Lockdowns fiel, war das 2017 gegründete Geschäft ohnehin geschlossen. Im Mai 2021 durfte sie wieder öffnen, war aber gesundheitlich noch längst nicht so weit. Damals bekam sie Hilfe von zwei sehr guten Freundinnen, die das Geschäft am Laufen hielten. „Ich hätte sonst aufgeben müssen“, erinnert sie sich voller Dankbarkeit.

 

Ein gesunder Mensch hat 1000 Wünsche, ein Kranker nur einen.
Gabriele Liburdi-Sindlinger

 

Auch die Kundinnen und Kunden kamen gleich wieder. „Sie haben mir die Treue gehalten“, freut sich Gabriele Liburdi-Sindlinger.
Mit viel Ausdauer und Ehrgeiz trainierte sie und schaffte schon bald wieder längere Strecken. Heute geht sie zwei Mal die Woche mit ihrem Mann joggen. Bergläufe wie früher oder Halbmarathons sind allerdings noch nicht möglich – doch sie arbeitet daran. 

 

Frage nach dem „warum“

Umso schwerer fällt es ihr zu verstehen, warum der Schlaganfall ausgerechnet sie getroffen hat. „Die Ärzte haben mich durchgecheckt und auf den Kopf gestellt. Aber niemand weiß, warum“, sagt sie. Der einzige Hinweis: Der Schlaganfall ist sieben Tage nach ihrer Corona-Impfung passiert. Ob es da einen Zusammenhang gibt, konnten Ärzte bislang nicht bestätigen. 

Es ist aber noch nicht alles wieder zu 100 Prozent hergestellt, nach wie vor muss sie eine Therapie besuchen. Der Gleichgewichtssinn und die Konzentration sind noch nicht wieder wie vorher, auch kann sie ihre linke Hand noch nicht richtig bewegen. Damit das Geschäft trotzdem geöffnet bleibt, hat sie sich mit ihrer ehemaligen Schwägerin Andrea Sindlinger zusammengetan, die mit ihrem Second-Hand-Laden „Zweitliebe“ in die „Wollgefühl“-Räume eingezogen ist und im hinteren Teil des Geschäfts ihre Mode anbietet. „Sie ist eine absolute Bereicherung, alleine würde ich das nicht schaffen“, sagt Gabriele Liburdi-Sindlinger, die momentan drei Stunden pro Tag im Geschäft ist, sofern sie nicht gerade in der Reha ist. 

Wenn man sie nach ihren Wünschen fragt, fällt der Weilheimerin die Antwort leicht. „Ein Gesunder hat 1000 Wünsche, ein Kranker nur einen“, sagt sie und meint natürlich Gesundheit. Konkret wünscht sie sich, dass sie ihre linke Hand besser bewegen kann, die derzeit nur zu 60 Prozent einsetzbar ist. „Ich will auf 80 Prozent kommen und wieder stricken können, das ist mein größter Wunsch.“ Ansonsten spürt sie aber auch viel Dankbarkeit. „Es gibt Schlimmeres. Das habe ich in der Reha gesehen: Es gibt Leute, die nicht wieder aufstehen.“

 

Info

Das Wollgefühl in der Marktstraße 2 in Weilheim hat derzeit Dienstag und Mittwoch von 9.30 bis 13 Uhr geöffnet, Donnerstag von 9.30 bis 13 Uhr und 15 bis 18 Uhr sowie Samstag von 9.30 bis 13 Uhr.