Lokalsport
Großsporthalle: Kirchheim könnte vorangehen

Hallendiskussion In der Frage, ob die Stadt eine Großsporthalle braucht und ob deren Betrieb wirtschaftlich wäre, wird nachgeschärft. Experten halten den Standort im Kreis Esslingen für ideal. Von Bernd Köble

Der Weg zum Ziel ist weit und steinig, vor allem: Er kostet eine Stange Geld. Dass der Bau einer multifunktionalen Großsporthalle für Kirchheim und weit darüber hinaus trotzdem lohnend wäre, belegen die Ergebnisse eines Gutachtens, das die Stadt und ihre Zweitliga-Basketballer gemeinsam in Auftrag gegeben haben. Veröffentlicht wurden bisher nur die Kernpunkte der Studie, die im Moment verfeinert wird und auf deren Basis der Gemeinderat im Juni entscheiden muss, ob das Projekt weiterverfolgt wird. 

Am Montagabend hatte die Öffentlichkeit erstmals Gelegenheit, bei einer von den Knights initiierten Online-Präsentation mehr darüber zu erfahren. Von dem Mann, der gemeinsam mit dem Institut für Sportstättenberatung (IFS) für die Expertise verantwortlich zeichnet. Dr. Claus Binz hat reichlich Erfahrung mit Bau und Betrieb von Sport- und
 

„Die Bedingungen
in Kirchheim sind klar besser.
Dr. Claus Binz
vom Institut für Sportstättenberatung (IFS) zum wirtschaftlichen Vergleich mit der Trier Arena.
 

Kulturstätten. In Heidelberg, wo seit 2018 eine Halle für 5000 Besucher steht, aber auch an der Mosel, wo die 2003 eröffnete Trier Arena vom Start weg schwarze Zahlen schreibt, wie Binz betont. Das Bemerkenswerte am Vergleich mit der Römerstadt: Die Grundvoraussetzungen für den erfolgreichen Betrieb einer solchen Halle wären dem Experten zufolge in Kirchheim und Umgebung deutlich besser. Genauer: ein größeres Einzugsgebiet, ein jüngeres Publikum, wirtschaftsstärkere Unternehmen, mehr Kaufkraft.

Hinzu kommt: keine Konkurrenz bisher. Großhallen wie die Schleyerhalle und die Porsche-Arena in Stuttgart oder die Göppinger EWS-Arena spielen in einer anderen Liga. Hallen mit einem Fassungsvermögen von knapp unter 3000 Plätzen, wie für Kirchheim angenommen, sind Mangelware in der Region. Wo es sie gibt, ist technische Ausstattung entweder nicht ausreichend vorhanden oder nicht mehr zeitgemäß. Binz’ klare Folgerung daraus: Eine Multifunktionshalle in vorgeschlagener Größe und Ausstattung am Standort zwischen Freibad und Stadion in Kirchheim wäre wirtschaftlich tragfähig.

Wichtigste Grundvoraussetzung: Sie wird privat betrieben und dient nicht ausschließlich dem Sport, ist vielmehr ein Ort für Kultur, Firmenveranstaltungen, Verbrauchermessen und vieles mehr. In Zahlen ausgedrückt heißt das, veranschlagten Betriebskosten in Höhe von 1,4 Millionen Euro jährlich stünden Erlöse von 1,5 Millionen Euro gegenüber. Größter Kostenfaktor wäre demnach das Personal mit geschätzten 640 000 Euro. Eine Halle in dieser Größenordnung, betont Binz, sei ohne Festbeschäftigte nicht betreibbar und biete acht bis neun Arbeitsplätze. Vergleichsweise geringer fallen die Energiekosten ins Gewicht, die dank moderner Heizungstechnik und erneuerbarer Energie auf 150 000 Euro pro Jahr geschätzt werden. Die veranschlagten Gesamtkosten für eine solche Halle beliefen sich bekanntlich auf knapp 34 Millionen Euro. Wichtigste Aufgabe wäre demnach, die Fühler nach möglichen Finanzgebern auszustrecken. „Wir reden hier nicht über die übliche Sportstättenförderung“, stellt Claus Binz klar. Es gehe um Mittel von Land, Bund und sogar der EU im Rahmen von Kultur-, Tourismus-, und Infrastrukturprogrammen. „Das sind Förderquellen, die für eine normale Sporthalle nicht zur Verfügung stehen.“ In anderen Worten: Der Bau einer kleineren, reinen Sporthalle käme die Stadt unterm Strich deutlich teurer, weil sie den Abmangel selbst zu tragen hätte. „Reine Sporthallen sind immer defizitär“, betont Binz. „Da reden wir jährlich über sechsstellige Summen.“

Platznot ist unstrittig

Die Frage, ob Kirchheim eine neue Halle braucht, hat die Studie längst beantwortet. Die Frage, die bleibt, ist wann und wie? Sechs Halleneinheiten für den Sportunterricht fehlen allein an vier innerstädtischen Schulen. Von der Platznot im Trainingsbetrieb ist kaum ein Verein in Kirchheim ausgenommen. Zu viele Mannschaften quer durch alle Sportarten teilen sich eine deutlich zu kleine Fläche, auch das ist ein klares Ergebnis der Studie.

Für hochklassigen Leistungssport wie Turnen oder Basketball, der standardisierten Vorgaben unterliegt, wird die Situation zudem zum Existenzproblem. Anders ausgedrückt: Ohne neue Rahmenbedingungen wird Kirchheim über kurz oder lang seine sportlichen Aushängeschilder verlieren.

Mehr als 60 Großprojekte weltweit

Dr. Claus Binz ist Gesellschafter und Gründer des 1994 in Bielefeld ins Leben gerufenen Instituts für Sportstättenberatung (IFS). Seit 2000 hat das Unternehmen mit zwölf Mitarbeitern seinen Sitz in Euskirchen bei Köln. Das IFS hat seitdem weit über 60 Großprojekte weltweit begleitet, davon mehr als 20 multifunktionale Veranstaltungshallen. Binz ist Jurist und Sportwissenschaftler und verfügt über 45 Jahre Berufserfahrung in diesem Bereich.
In Trier war der gebürtige Westfale neben dem Hauptberuf zehn Jahre lang Mitgesellschafter der Trier Arena. Bei OB und Gemeinderat sei die Skepsis, ob ein solches Projekt wirtschaftlich umsetzbar wäre, enorm groß gewesen, räumt Binz ein. Seine einfache Erklärung für seinen Einstieg in die Betreibergesellschaft: „Ich wollte zeigen, dass ich von meinem Konzept überzeugt bin.“ Die Trier Arena schreibt seit ihrer Eröffnung 2003 schwarze Zahlen. bk