Unverhofft kommt bekanntlich oft: Eigentlich hatte sich Jannik Steimle auf eine ruhige Woche daheim eingestellt. Ein bisschen Training, Zeit mit der Familie stand auf dem Programm. Stattdessen kam alles anders, denn der 26-jährige Radrenn-Profi ist von Bundestrainer André Greipel für die Straßen-WM nachnominiert worden. „Ich war grade mit dem Rad auf dem Weg zum Physio, um mich ein bisschen vom Wochenende zu erholen, als der Anruf kam“, berichtet der Weilheimer. „Ich hatte gesehen, dass er davor schon mal angerufen hat, und gedacht, entweder fragt er, ob alles klar geht wegen dem Zeitfahren am Dienstag, oder er fragt mich wegen dem Straßenrennen.“ Möglichkeit B passte dem 27-Jährigen natürlich weitaus besser in den Kram, zumal er selbst der Meinung ist, dass er den Startplatz auch verdient hat. Der Weilheimer geht für Maximilian Schachmann ins Rennen, der von seinem Team Bora-hansgrohe schon nicht für die Tour de France nominiert wurde. „Warum er nicht startet, weiß ich gar nicht genau. Zu mir ist aber durchgedrungen, dass meine Form gerade wohl besser ist.“
Rennen über 271 Kilometer
Seit Mittwochabend weilt der Weilheimer nun also im schottischen Glasgow. Am Donnerstag machte sich das sechsköpfige deutsche Team mit der Strecke vertraut. „Der Kurs ist schön selektiv“, berichtet der 27-Jährige von vor Ort. Start für das 271,1 Kilometer lange Rennen ist in der schottischen Hauptstadt Edinburgh. Auf den ersten 70 Kilometern geht es noch recht flach zu. Wenn der Kurs nach Süden Richtung Glasgow abbiegt, wird es schließlich bergig. „Es geht hoch und runter, wie bei uns auf der Alb oder bei mir im Welsheimer Wald. Landschaftlich ist es hier total schön, wobei wir davon am Sonntag nicht viel sehen werden“, so der Wahl-Schorndorfer lachend. Bei Kilometer 120 erreichen die Männer dann den 14,3 Kilometer langen Rundkurs in Glasgow, der zehnmal zu durchfahren ist. „Das ist wirklich eine schöne Strecke durch die Stadt. Allerdings kommt jetzt noch das Wetter dazu, denn es soll regnen.“ Auf der Runde verteilen sich 207 Höhenmeter auf mehrere kurze, aber giftige Anstiege. Der letzte davon liegt 1500 Meter vor dem Ziel in der Montrose Street und ist auf 200 Metern Länge im Schnitt 10,8 Prozent steil. In der Spitze sind es 14 Prozent. Besonders knifflig, zumindest bei Nässe, ist eine Kopfsteinpflaster-Abfahrt, die in einer 90-Grad-Kurve genommen werden muss. Ohnehin ist der Kurs extrem winklig. Alleine auf den letzten fünf Kilometern müssen 19 scharfe Richtungswechsel bewältigt werden, ehe es bis zum George Square, wo sich das Glasgower Rathaus und damit auch das Ziel befindet, nur noch geradeaus geht.
Freude ist riesengroß
Das sind Bedingungen, mit denen Jannik Steimle gut zurechtkommt, wie er erst jüngst beim Rennen in Kirchheim gezeigt hat. „Ich freue mich mega“, ist der Weilheimer zuversichtlich, auch wenn er zu den Chancen fürs eigene Team nur schwer etwas sagen kann. „Man hat hier halt einen Evenepoel, der nicht mit einem, sondern gegen einen fährt“, sagt Steimle über seinen Kollegen vom Soudal-Quick-Step-Team, der als Titelverteidiger an den Start geht. „Die Belgier dürfen ja auch mit zwei, drei Mann mehr an den Start gehen, weil sie mehr Punkte haben. Und allein fünf von denen haben Chancen auf den Sieg“, ist sich der Weilheimer sicher. An den eigenen Ambitionen mangelt es jedenfalls nicht. „Ein Platz unter den Top Ten wäre schon klasse.“