Lokalsport
Knights starten zuversichtlich in die Zweitligasaison

Basketball Die Kirchheimer Korbjäger setzen auf ein weitgehend eingespieltes Team. Dahinter steckt die Hoffnung, dass vertraute Kräfte den nächsten Schritt gehen. Von Bernd Köble

Eigentlich müsste sich Igor Perovic vor der am Samstag beginnenden Saison in der 2. Basketball-Bundesliga glücklich schätzen. Nur drei Neuzugänge im eingespielten Kader – das hat es zumindest seit 2020, seinem ersten Trainerjahr in Kirchheim, nicht gegeben. Doch Kontinuität heißt eben auch, dass Kirchheims Headcoach aus Verletzungsgründen wieder einmal an entscheidender Stelle nachjustieren muss. Der Ausfall von Sheldon Eberhardt wiegt deshalb schwer, weil der 27-jährige Shooting Guard als vorgesehene Antwort auf die Offensiv-Flaute in der Vorsaison große Hoffnungen weckte. Best Ager, deutsch, treffsicher – so kurz vor Saisonstart gab der Markt das nicht mehr her. Die Alternative heißt nun Demetrius Ward. Kein ausgewiesener Scorer, mit 33 Jahren deutlich älter und ein völlig anderer Spielertyp. Dass er mehr sein kann als eine Option von der Bank, hat der Deutsch-Amerikaner zwar schon bewiesen, bei den Artland Dragons verlief die Saison zuletzt allerdings eher enttäuschend.

Was also ist von den Knights zu erwarten? Nimmt man die Pre-Season zum Maßstab: durchaus einiges. Perovic hat die Latte in der Vorbereitung hoch gehängt. Gießen, Bayreuth, Karlsruhe, dazu die Erstligisten aus Tübingen, Ulm und Ludwigsburg. Selten hat eine sieglose Serie mehr Optimismus verbreitet. Vor allem die knappe Niederlage nach Verlängerung gegen Gießen, einen der Topfavoriten in diesem Jahr, hat für viel Zuversicht gesorgt.

Perovic hat sich durchgesetzt. Den Kern der Mannschaft diesmal zu halten, war sein Wunsch – inklusive des wichtigsten Akteurs: Michael Flowers, Topscorer der Vorsaison und eine der dominierenden Figuren in der Pro A. „Dass wir unsere Arbeit fortsetzen können und nicht wieder bei null beginnen“, sagt der Coach, „macht diesmal vieles einfacher.“ Gleichzeitig hat Perovic auf mehr Tiefe im Kader verzichtet und das mehr oder weniger freiwillig. Zwar wäre der Deal mit Flowers ohnehin nur mit Einschnitten zu stemmen gewesen, doch es ging nicht allein um Geld. Perovic will seinen Spielern Vertrauen schenken und das bedeutet vor allem eines: Spielzeit. Dabei fühlt sich der Trainer an seinen eigenen Karrierestart erinnert. Wie er sich als 17-Jähriger im Starensemble von Partizan Belgrad zwischen Egozentrikern und machthungrigen Köpfen behaupten musste. „Für meine Entwicklung war das damals nicht gut“, räumt Perovic unverblümt ein. „Wer kein Selbstvertrauen entwickelt, wird nicht besser.“

 

Jetzt müssen diese Rolle andere übernehmen.
Igor PerovicKirchheims Coach zum Ausfall Sheldon Eberhardts, der als deutscher Scorer fest eingeplant war

 

Daher will er es nun besser machen, und das gelingt ihm augenscheinlich gut. Der erst 17-jährige Nil Failenschmid, der eine überzeugende Vorbereitung hingelegt hat, könnte sich unter seinem Mentor als Kirchheimer Eigengewächs zum Stammspieler entwickeln. „Nil hat alles, was man braucht“, meint Perovic. „Er ist ein intelligenter Junge mit einem guten Charakter und einer unglaublichen Spannweite.“

Vor allem auf den deutschen Positionen war der Konkurrenzkampf zuletzt nicht immer leistungsfördernd. „Der eine oder andere hat sich dadurch nicht so entfaltet, wie wir uns das erhofft hatten“, muss auch der sportliche Leiter, Chris Schmidt, rückblickend einräumen. Folglich erwartet auch er nun den nächsten Entwicklungsschritt, der sich bei manchem in der zweiten Saisonhälfte abgezeichnet hatte. Dazu zählt auch Michael Flowers, der sich überzeugen ließ, dass es seiner Entwicklung dienlich wäre, ein Jahr in Kirchheim dranzuhängen – diesmal in der Hauptrolle. Auf den 24-jährigen Amerikaner wartet nach seinem Rookie-Jahr jetzt die anspruchsvolle Aufgabe als Spielmacher und als Vollstrecker. Für Entlastung soll Neuzugang Mike Miller sorgen, der ebenfalls gezeigt hat, dass er beide Rollen beherrscht und im Duett mit Flowers bisher gut harmoniert.

Harmonie ist ein Aspekt, der augenfällig ist im Team. Die Chemie scheint zu stimmen. Die Mannschaft ist nach wie vor sehr jung, auch wenn der 33-jährige Demetrius Ward als Nachzügler den Altersschnitt zuletzt etwas angehoben hat. Wo es an Erfahrung mangelt, setzt Perovic auf andere Qualitäten: Spielintelligenz, Charakterstärke, Loyalität. Das sind Eigenschaften, die man braucht, um beim 49-jährigen Serben seine Chance zu bekommen. Das sind gleichzeitig Eigenschaften, ohne die eine Mannschaft nicht zur Einheit wird. Spieler wie Jonas Niedermanner oder Aitor Pickett bringen solche Qualitäten im höchsten Maß mit. Deshalb lässt sich ihr Anteil am Erfolg nicht allein an Statistiken messen, wie Perovic immer wieder betont. Dennoch sagt er: „Beide müssen offensiv in dieser Saison einen Schritt nach vorne machen.“ Den erhofft er sich auch vom 21-jährigen Aleksa Bulajic. Ein in Kirchheim inzwischen vertrautes Gesicht, aber immer noch ein Rohjuwel, an dessen Fähigkeiten Perovic nach wie vor glaubt. Im ersten Jahr in Kirchheim ließ der Guard sein Potenzial zwar immer wieder aufblitzen, seit einer Fußverletzung fehlen ihm allerdings nicht nur Rhythmus und Selbstvertrauen, sondern erkennbar auch die nötige Geduld. Im Sommer hat er in seiner montenegrinischen Heimat wie ein Besessener trainiert, ohne dafür bisher belohnt worden zu sein. In der Vorbereitung erlebte man ihn häufig verkrampft und mit sich hadernd. Bei ihm heißt es abwarten, ob und wann der Knoten platzt.

Riesentalent unterm Korb

Die vielleicht spannendste Geschichte in diesem Jahr verbirgt sich hinter dem Größten – zumindest nach Zentimetern. Mit dem erst 20-jährigen Toni Dorn ist den Knights ein möglicher Coup gelungen. Das 2,11 Meter große Centertalent hat vier Jahre lang das Ulmer Nachwuchsprogramm durchlaufen, kam beim deutschen Meister immerhin auf fünf BBL-Einsätze und bestritt mit der deutschen U 20 zuletzt die EM auf Kreta. Was Spielverständnis und Durchsetzungskraft angeht, erinnert der Blondschopf schon heute an Kirchheims Ex-Kapitän Till Pape, der dieselbe Schule durchlief und nach einer bärenstarken Saison in Göttingen in diesem Jahr bei den Telekom Baskets in Bonn den nächsten Karriereschritt plant. Dorn dürfte nach allem, was er in der Vorbereitung anklingen ließ, bei Perovic gesetzt sein.

Zuzutrauen ist den Knights wie immer alles – an beiden Enden des Tableaus. „Das Einzige, was mir Sorge macht, sind die Anderen“, sagt Chris Schmidt. Die zweite Liga hat es in sich: Maik Zirbes (Trier), Robin Benzing (Gießen), Bastian Doreth oder Julius Wolf (beide Nürnberg) – nie war die Lis­te deutscher Nationalspieler in der Pro A länger. Die Konkurrenz hat mächtig aufgerüstet. Selbst ambitionierte Aufsteiger wie Koblenz machen da keine Ausnahme. Die Luft wird also dünner, und Kirchheim braucht wieder einmal das, was seit 15 Jahren die Klasse sichert: einen langen Atem.

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