Das evangelische Gemeindehaus in Jesingen war gut besucht, als Bernd Löffler, ausgewiesener Kenner des Lebens und Werks von Max Eyth, zu einem Vortrag der besonderen Art einlud. Unter dem Titel „Max Eyth und die Frauen“ beleuchtete er ein bislang wenig beachtetes Kapitel im Leben des berühmten Kirchheimer Ingenieurs, Zeichners und Schriftstellers.
Eyth, 1836 in Kirchheim geboren, prägte als Techniker und Gründer der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft die industrielle Entwicklung des 19. Jahrhunderts maßgeblich. Mit seinen Erfindungen zur Dampfpflugtechnik und als Ingenieur für die Firma Fowler in Leeds war er international geschätzt. Auch als Autor bewies Eyth Vielseitigkeit – seine Werke reichen von Reiseberichten bis hin zu historischen Romanen. Löffler richtete den Fokus jedoch auf Aspekte, die in gängigen Biografien oft nur am Rande erwähnt werden. Zeit seines Lebens blieb Eyth unverheiratet – eine Folge seines hohen Arbeitspensums, der ständigen Reisetätigkeit und einer bewussten Entscheidung seines Arbeitgebers, ihn gerade wegen seiner Ungebundenheit für Auslandseinsätze auszuwählen.
Doch auch seine pietistische Erziehung spielte eine bedeutende Rolle. Die wichtigste Frau in Eyths Leben war seine Mutter Julie, mit der ihn bis zu ihrem Tod im Jahr 1904 eine tiefe, wenn auch nicht spannungsfreie Beziehung verband. Julie Eyth veröffentlichte anonym christliche Aphorismen, darunter den Satz: „Wenn das Fleisch schwach ist, ist es stark – hüte Dich!“. Eine Maxime, die wie ein Damoklesschwert über dem Leben ihres Sohnes gehangen haben könnte. Löffler schilderte, wie diese streng religiöse Prägung Eyths Verhältnis zu Frauen nachhaltig beeinflusste.
Prägend war auch eine frühe Liebesbeziehung zur gleichaltrigen Charlotte Kaim, Tochter des Kirchheimer Pianofortefabrikanten. Die junge Liebe scheiterte vermutlich an der Einmischung der Mutter. Eyth verarbeitete den Verlust literarisch – etwa im historisch-romantischen Gedicht „Volkmar“ oder mit der Figur des „Gretle“ im Roman „Der Schneider von Ulm“. Trotz späterer Begegnungen – etwa mit einer schönen Engländerin, mit der er Haarlocken tauschte – blieb Eyth der Ehe zeitlebens fern. Doch seine Briefe zeugen von Einsamkeit: Weihnachten im nebligen Leeds etwa beschreibt er als einen der schwersten Tage für Junggesellen. Später bezeichnete er sich selbst als „geborenen Einsiedler“. In Tagebuchaufzeichnungen ist verschlüsselt von einer unerwiderten Liebe zur jungen Lili Hensel die Rede, Enkelin der Komponistin Fanny Hensel. Trotz seiner Ablehnung von Liebesromanen finden sich in Eyths fiktionalen Werken romantische Erzählstränge – vermutlich auch als Zugeständnis an die Lesererwartung. Löffler wies darauf hin, dass diese literarischen Figuren oft mehr über das Innenleben Eyths verraten als offizielle Biografien. Zum Schluss ließ der Referent eine Figur aus dem „Schneider von Ulm“ für Eyth sprechen – den alten Turmwächter Lombard: „Weibergeschichten sind nicht meine Sache. Wir haben Gescheiteres in der Welt zu tun, wenn wir wollen, und ich habe sie seit sechzig Jahren abgeschworen.“ Löfflers Vortrag war mehr als eine biografische Ergänzung. Er öffnete neue Perspektiven auf das Seelenleben eines Mannes, der technisch und gesellschaftlich Großes bewegte – privat aber einen stilleren, oft einsamen Weg ging.