Bietet jemand zum ersten Mal einen neuen Kurs an, weiß er nie: Wird er auch voll? Bei der ersten Basisqualifizierung für Interkulturelle Elternmentoren in Kirchheim hätte die Gemeinnützige Elternstiftung Baden-Württemberg zur Not mit Teilnehmern von außerhalb aufgefüllt. Doch das war nicht nötig: Mit 22 Teilnehmern, davon 16 Frauen und sechs Männer, fand der vom Sozialministerium finanzierte Kurs in Kirchheim großes Interesse. Das lag auch daran, dass der Arabisch-Deutsche Kulturzirkel Tawasul, der Verein Solidarität Afrika und der Verein GBSE den Kurs bewarben. Bunter hätte er kaum besetzt sein können: Beim sprachlichen Hintergrund waren Arabisch, Kurdisch, Englisch, Französisch, Russisch, Ukrainisch, Spanisch, Italienisch, Türkisch und Chinesisch vertreten. Vater und Sohn waren gemeinsam dabei, dazu zwei Schwestern und ein Ehepaar – und zwei Leute ganz ohne Migrationshintergrund.
Konfliktlösungen und Kommunikationsmethoden
Zwei zusätzliche Zertifikate bekamen Judith Riepe und Diana Eichengrün von der Stadtverwaltung Kirchheim. Sie sind bei der Stadt in den beiden Abteilungen Soziales und Bildung tätig und haben den Kurs gemeinsam begleitet. Am Anfang stand ein Präsenztermin im Mehrgenerationenhaus Linde, denn folgten vier Onlinetermine: Drei davon wurden von Britta Reuther geleitet, die von der Familienstiftung beauftragt war. Einen Termin hatte Kai Katuric vom Staatlichen Schulamt Nürtingen übernommen. Die Elternmentoren dürfen ihn auch in Zukunft kontaktieren. Die sechste Einheit folgte dann wieder in Präsenz in der Kirchheimer Stadtbücherei – gefolgt von der Zertifikatsübergabe. Die Stimmung war in etwa so, als sei die große Gruppe gerade aus einem fröhlichen Urlaub zurückgekehrt. Aber es war trotzdem Arbeit: Die Teilnehmer hatten sich unter anderem mit Konfliktlösungen und Kommunikationsmethoden beschäftigt und Unterschiede und Gemeinsamkeiten verschiedener Kulturen entdeckt. Nebenbei sind auch die drei Vereine, die den Kurs bewarben, einander näher gerückt.
Es geht um mehr als ums Dolmetschen
Andere Länder, andere Sitten: Wer aus einem Land kommt, in dem zum Stichtag 20 neue Kinder gleichzeitig in den Kindergarten kommen, ist bei der behutsamen deutschen Eingewöhnungsphase mit Elternbegleitung wohl sehr verwundert. Wer Elterngespräche in seiner Heimat nur bei massiven Problemen kennt, hat womöglich völlig unnötig Angst. Es gibt auch Länder, in denen so etwas wie ein Schullandheim gänzlich unbekannt ist. Elternmentoren können in solchen Fragen begleiten, erklären, vermitteln. Sie können auf der anderen Seite auch Lehrkräften helfen, indem sie ihnen spezielle Hintergründe einer anderen Kultur erläutern. Es geht also um weit mehr als ums Dolmetschen in eine andere Sprache. Für Menschen, die anderswo geboren und aufgewachsen sind, gebe es auf dem Weg ins deutsche Bildungssystem viele bürokratische und kommunikative Hürden und Steine, sagte Bürgermeisterin Christine Kullen. „Sie als Mentoren helfen, manche Steine aus dem Weg zu räumen.“
Fähigkeiten, Brücken zu bauen
„Sie sprechen die Sprache der Menschen, Sie haben die Fähigkeiten, Brücken zu bauen“, sagte die leitende Schulamtsdirektorin Corina Schimitzek. „Das baden-württembergische Schulsystem kann man manchmal gar nicht verstehen.“ Aber jedes Kind solle seinen Platz in der Gesellschaft finden. Ulla Seitz, stellvertretende Vorsitzende der Elternstiftung, sprach auch als ehemalige Schulleiterin: Schulentwicklung könne nur gelingen, so ihre Erfahrung, wenn alle Beteiligten einbezogen seien, in erster Linie die Eltern. Inzwischen dürfe sich die 1974 gegründete Stiftung auch um die Eltern und Kinder in Kindertageseinrichtungen kümmern, und das sei auch gut so.
Was das Schulsystem angeht, sind alle Teilnehmer nun auf dem aktuellen und korrekten Stand. Zwar würden sich auch die jeweiligen Communities aus verschiedenen Ländern gegenseitig helfen, sagte Judith Riepe.
Dieses war der erste Kurs, die nächsten sollen auf Landkreisebene im Herbst und wieder speziell in Kirchheim im Jahr 2026 folgen.