Angenommen, bei einer solchen Baumpflanzaktion wären Bundes- oder EU-Politiker gefragt: Die Aktion wäre wahrscheinlich nicht viel mehr als eine Show für die Kameras. Das war am Dienstag in Neidlingen, auf der kommunalen Ebene, völlig anders: Die Gemeinderäte, Frauen wie Männer, langten tatsächlich und herzhaft zu, holten sich schmutzige Hände und erheblich dreckige Schuhe. Dass bei Bürgermeister Jürgen Ebler sogar ein Spaten brach, könnte insgesamt drei Gründe haben: Auch er war sehr engagiert bei der Sache, die Spaten aus dem Baumarkt waren keine professionellen Premiummodelle und der Boden war hart und steinig. So steinig, dass Ebler meinte, er sei fast so wie auf der Albhochfläche in Hülben.
350 Traubeneichen und 150 Hainbuchen plus Pflanzmaterial hat die Stiftung Herbert Metzger und Anneliese Metzger-Nord gespendet. Die vergangenen 20 Jahre oder noch länger hatte das Esslinger Wohnbauunternehmen Metzger jährlich Weihnachtsbäume gefällt und verschenkt. Nun hat es auf Nachhaltigkeit umgestellt und sich für „besser pflanzen statt fällen“ entschieden. Fehlte noch der geeignete Platz im Landkreis Esslingen, den die Gemeinde Neidlingen zu bieten hatte. Den Kontakt zwischen Stiftung, Gemeinde und Forstverwaltung – also zwischen Geld und Platz – hat die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald Baden-Württemberg vermittelt.
Zur Kahlfläche im Neidlinger Wald war es gekommen, weil die dortigen Fichten vom Borkenkäfer befallen waren und gefällt werden mussten. „Anders bekommen wir den Borkenkäfer nicht aus dem Wald heraus“, sagte die Försterin Julia Usenbenz. Würde der Mensch nicht eingreifen, erklärte sie, würde sich auf dieser Kahlfläche mit der Zeit ein reiner Buchenwald entwickeln. Eine Eiche, die zu ihrem Wachstum viel Licht braucht, hätte gegen die Buchen keine Chance. Um die Artenvielfalt und Klimaresistenz des Waldes zu fördern, wurden bei der Pflanzung bewusst auch Traubeneichen gepflanzt.
Der Forstbetrieb hatte bereits bestens vorgearbeitet, die Kahlfläche geräumt und die meisten Bäume schon gepflanzt. Der Gemeinderat übernahm die Pflanzung von weiteren 25 Bäumen, im Abstand von etwa eineinhalb Metern. Man möge bitte das Loch den Bäumen anpassen und nicht umgekehrt, mahnte Julia Usenbenz. Die Wurzeln um den Stamm zu schlingen, damit sie in das Loch passten, war absolut tabu. So wurde teils mehrmals Maß genommen, bis das Loch tatsächlich groß und tief genug war. Beim Befüllen wurde die Erde etwas aufgekrümelt.
Jeder junge Baum bekam einen Robinienstab und eine grüne Wachsschutzhülle. Die Hülle schützt den jungen Baum vor Frost und Sonne und sorgt für ein „Mini-Gewächshausklima“. Der Sonnenschutz ist vor allem deshalb wichtig, weil ja auf der Kahlfläche das schattenspendende Blätterdach fehlt. Die Hüllen schützen den Baum auch vor Wildverbiss. „Eine Eiche ist fürs Rehwild wie für uns ein Stück Schokolade“, sagte Julia Usenbenz.
Etwa ein oder zweimal im Jahr, schätzt Julia Usenbenz, werde der Forstbetrieb auf der Pflanzfläche mähen müssen. Sonst würden sich dort die Brombeerhecken ausbreiten. Etwa sieben bis acht Jahre werden die neu gepflanzten Bäume in ihren Wuchshüllen bleiben. Nicht jeder Baum wird es schaffen. Aber die erfolgreichen werden in zehn bis zwölf Jahren eine Höhe von etwa vier bis fünf Metern erreichen, und sie können Jahrhunderte alt werden.