Sagen der Region
Ausflugstipp: Die Grabkapelle auf dem Württemberg

Die Grabkapelle auf dem Württemberg oberhalb von Bad Cannstatt ist ein Ort, der alles verbindet: Architektur, Geschichte und ein Panorama, das Besucher jedes Mal aufs Neue staunen lässt.

König Wilhelm I. und sein Architekt Giovanni Salucci entwickelten einen klassizistischen Bau voller Anmut und Schönheit. Foto: Jörg Bächle

Hoch über den Weinbergen thront das königliche Mausoleum, das letztes Jahr 50.972 zahlende Gäste anzog. Wer hier oben steht, versteht schnell, warum: Der Blick über Stuttgart und das Ne­ckartal ist schlicht atemberaubend – und gratis.

Der Name – Rätsel und Legende

Schon im Mittelalter fragten sich die Menschen: Woher stammt der Name „Württemberg“? Sprachforscher führen ihn auf das keltische „Wirodunum“ zurück – „Festung“. Doch viel spannender ist die Sage vom „Wirt am Berg“, die Ludwig Bechstein im Deutschen Sagenbuch festhielt: Sie erzählt von der Tochter Kaiser Friedrich Barbarossas, die mit einem Mann niederen Standes durchbrannte und mit ihm am Fuß eines Berges eine Wirtschaft betrieb. Als der Kaiser dort einkehrte, erkannte er sie an einer Speise, die nur sie zubereiten konnte. Gerührt nahm er sie wieder auf, machte den Schwiegersohn zum Grafen und schenkte ihm den Berg – aus dem schließlich der Name „Wirtemberg“ entstand. Auf der Bergkuppe wurde später die Stammburg des Hauses Württemberg errichtet.

Unterhalb der Grabkapelle befinden sich das Priester- und dahinter das Psalmistenhaus mit Gastronomie. Foto: Jörg Bächle

Aufstieg und Fall der Stammburg

Die Stammburg der Württemberger hatte eine bewegte Geschichte. Die Burg aus dem 11. Jahrhundert wurde erstmals 1311 zerstört. Trotz des Wiederaufbaus verlegten die Württemberger ihre Hofhaltung in eine nahegelegene Wasserburg, später in das Alte Schloss in Stuttgart. Im Laufe der Jahrhunderte wurde die Burg auf dem Rotenberg niedergebrannt, geplündert, wiederhergestellt und mehrfach umgebaut. Sie diente unter anderem als Zufluchtsstätte und als Gefängnis. 1797 ließ Herzog Friedrich II. sogar ein Belvedere errichten – eine Art Aussichtsgalerie, die bereits damals Besucher anzog.

Als König Wilhelm I. 1819 seiner Gemahlin, Königin Katharina von Württemberg, ein würdiges Grabmal errichten wollte, fiel die Entscheidung leicht: Die alte Burg wich der tempelartigen Grabkapelle, die von 1820 bis 1824 erbaut wurde – ein krönender Abschluss für diesen landesgeschichtlich bedeutenden Berg.

Katharina – Königin mit Herz

Katharina Pawlowna war eine außergewöhnliche Frau. Als Tochter des russischen Zaren Paul I. brachte sie Glanz nach Württemberg – aber auch Tatkraft. In nur drei Jahren als Königin von Württemberg schuf sie soziale Einrichtungen und half, Strukturen für Bedürftige aufzubauen – Leistungen, die bis heute nachwirken. Umso tragischer war ihr frühes Ende: Im Januar 1819 erkrankte die Königin schwer nach einer winterlichen Ausfahrt im offenen Wagen. Schon wenige Tage später war sie tot. Ganz Württemberg trauerte.

Die Politik, die Wilhelm I. (1781 – 1864) mit ihr und später allein über Jahrzehnte verfolgte, legt nahe, dass die Kapelle auch den Zusammenhalt des jungen Königreichs fördern sollte. Im Ensemble mit weiteren Bauten zeigte sie, dass das neue Königreich Würt­tem­berg mehr war als das alte Herzogtum Wirtemberg.

Der sagenhafte Ort gilt vielen Liebenden als romantischster Ort des Landes – mit einem herrlichen Blick auf Bad Cannstatt und Stuttgart. Foto: Jörg Bächle

Architektur mit römischem Vorbild

Wer die Kapelle betritt, spürt sofort die besondere Atmosphäre: Der weite Kuppelsaal, entworfen von Wilhelms Hausarchitekten Giovanni Salucci, erinnert stark an das Pantheon in Rom. Stuckrosetten, Glasdach, elegante Symmetrie – die Architektur wirkt schlicht und zugleich erhaben. Unterhalb liegt die Gruft mit dem Doppelsarkophag von Katharina und Wilhelm.

Ein Gipsmodell der alten Stammburg und ein Weihestein aus dem Jahr 1083 schlagen die Brücke zurück in die Vergangenheit. Die Inschrift auf dem Weihestein erklärt, dass der Wormser Bischof Adalbert die ehemalige Burgkapelle dem heiligen Nikolaus von Myra weihte.

Geschichte trifft Genuss

Zeitgleich mit der Kapelle ließ Wilhelm I. etwas unterhalb zwei Häuser errichten: das Priesterhaus und das Psalmistenhaus. Hier wohnten einst Geistliche und Sänger, die täglich für Katharinas Seele beteten. Heute findet man dort ein Besucherzentrum und ein gemütliches Bistro mit Terrasse – ideal, um nach dem Rundgang bei Kaffee und Wein die Aussicht zu ­genießen.

Die Grabkapelle ist malerisch gelegen auf einem Hügel zwischen Weinreben. Foto: Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg, Arnim Weischer

Der Weg zur Kapelle

Mit dem Rad: Entlang der Lauter und des Neckars verlassen wir diesen nach Esslingen Richtung Ortsmitte Mettingen bis zur Obertürkheimer Petruskirche und Kirchsteige, dem Einstieg in die Weinberge. Von dort führen viele Winzerwege hinauf zur Kapelle.

Mit dem Pkw: Es gibt öffentliche, kostenlose Parkplätze an der Württembergstraße in der Nähe der Kapelle, doch sind diese begrenzt und an schönen Tagen schnell belegt. Aufgrund der engen Straßen und des hohen Besucheraufkommens wird die Anreise mit dem Auto nicht empfohlen.

Mit Zug und Bus: Eine bessere Alternative bieten die öffentlichen Verkehrsmittel. Mit der S1 ab Kirchheim und der Buslinie 61 ab dem S-Bahnhof Untertürkheim erreicht man die Haltestelle Rotenberg in knapp einer Stunde, von dort ist es ein halber Kilometer zu Fuß bis zum Ziel.

Weitere Infos zu Öffnungszeiten und Eintritt unter www.grabkapelle-wuerttemberg.de.

Ein Blick in die königliche Gruft. Hier liegen Königin Katharina, König Wilhelm sowie ihre älteste Tochter beerdigt. Foto: Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg, Arnim Weischer

 

Sagen der Region, Folge 12: Der Wirt am Berg

Wundersam erzählt die Sage den Ursprung des hohen königlichen Hauses Württemberg. Wie der alte Barbarossa nahe dem Kyffhäuser seine Rothenburg hatte, deren Trümmer noch stehen, so war auch im Lande Schwaben ein Rothenberg, und in dessen Nähe hielt der Kaiser Hofhalt mit seiner Prinzessin und seinen Wappnern. Da geschah es, daß die Prinzessin einen Dienstmann liebgewann und er sie entführte, und harreten verborgen, bis der Kaiser hinweggezogen war, dann baueten sie sich an am Berge, wie jener Grafensohn im Lahngau, der mit einer nicht ebenbürtigen Maid eine Mißheirat eingegangen war, und wirtschafteten am Bergesfuß, und der Kaiser konnte nimmer erfahren, wohin sein Kind gekommen.

Da er nun nach Jahr und Tag wieder in selbe Gegend kam, kehrte er ein bei dem Wirt am Berge, und der Tochter bebte das Herz, doch hielt sie sich unerkannt, bereitete aber des Kaisers Lieblingsspeise, die er so lange entbehrt und die niemand weiter gerade so zu bereiten verstand wie sie. Da war es dem Rotbart weh ums Herz, und er gedachte mit neuem Schmerz der entschwundenen Tochter und meinte, sie müsse da sein, nur sie könne das Essen also bereitet haben, und rief aus: Ach, wo ist denn meine liebe Tochter?

Da sind ihm die Übeltäter aus Liebe flehend zu Füßen gefallen, daß er ihnen verzeihe, und ging es gerade wie bei Karl dem Großen und Eginhard und Emma, von denen ganz dieselbe Sage geht: Der Kaiser war froh, daß er die Tochter am Leben fand, und verzieh. Schenkte dann seinem Schwiegersohn den ganzen Rothenberg, erhob ihn zu einem hohen Grafen, doch sollte er den Namen Wirt am Berg fortführen. Da erbaute der Wirt am Berg auf den Berggipfel hinauf eine stattliche Feste und ward der Urheber des württembergischen Stammes.

Quelle: Ludwig Bechstein, Deutsches Sagenbuch, Leipzig 1853