Wer die Bahn nimmt, sollte leidensfähig sein. – Nicht unbedingt: Es gibt eine Verbindung, die pünktlich ihre Bahnen zieht. Stunde für Stunde, Tag für Tag. Ohne Gewähr. Die Rede ist vom IRE 200, dem schnellsten Regionalverkehr Deutschlands: Fahrgäste zwischen Wendlingen und Ulm fahren seit Dezember mit der neuen Interregio-Express-Linie. Die Fahrt dauert knapp 30 Minuten. Vom Spatenstich bis zur Eröffnung im Dezember 2022 vergingen zehn Jahre.
Auf der Neubaustrecke wurden 60 Kilometer Schienenwege angelegt, 61 Kilometer Tunnelröhren gegraben, 37 Brücken errichtet sowie der neue Bahnhof Merklingen eingeweiht. – Nichts für Menschen, die an einer Tunnelphobie leiden. Und einen Preis in der Kategorie „Schönste Bahnstrecken“ wird die Neubaustrecke auch nicht gewinnen. Die Teck, deren Antlitz die Züge ziert, kann man zwar noch aus der Ferne betrachten, ansonsten reduziert sich die Fahrt auf Tunnel, Böschungen und Lärmschutzwände. Einzig sieben Sekunden freie Sicht nach dem Boßlertunnel von der 485 Meter langen und 85 Meter hohe Eisenbahnbrücke über das obere Filstal sorgen für einen Aha-Effekt. Aber nur, wenn man auf der richtigen Seite sitzt – nämlich rechts, bevor der Zug wieder in die Dunkelheit des Steinbühltunnels verschwindet. Schnell in Ulm anzukommen ist das Ziel.
Willkommen in Ulm
Den höchsten Kirchturm der Welt, das schiefste Hotel oder die größte erhaltene Festungsanlage Deutschlands - all das findet man in Ulm. Und noch vieles mehr. Das Schöne an dieser Stadt ist, dass man die Stadt sehr gut zu Fuß entdecken kann. Gleich beim Übergang vom Bahnhofsviertel in die Fußgängerzone zieht ein Monument aus Granit die Blicke auf sich.
Die Inschrift verrät: Hier stand das Haus, in dem am 14. März 1877 Albert Einstein zur Welt kam und das im Dezember 1944 bei einem Luftangriff zerstört wurde. Wer Einsteins Leben in Bildern nachspüren möchte, wird im Einstein-Haus in der Ulmer Volkshochschule am Kornhausplatz 5 fündig. In der Galerie im ersten Stock wird auch die wohl berühmteste Fotoaufnahme Albert Einsteins gezeigt. In Bronze gegossen findet sie sich wieder im Einstein-Brunnen bei der Zeughausgasse 15. Seinen Gästen streckt Einstein die Zunge raus, als wolle er den Kult, der um ihn gemacht wird, in Spott auflösen.
Münster und Wochenmarkt
Zurück in die Fußgängerzone: An deren Ende befindet sich der Münsterplatz. Man läuft direkt auf die Tourist-Information im Stadthaus zu.
Jeden Mittwoch und Samstag treffen sich die Ulmer auf dem Wochenmarkt mit seinen rund 80 Ständen rund um das Münster: Genau 161,53 Meter misst der Kirchturm des gotischen Baus. Damit überragt er nicht nur den Kölner Dom, sondern auch sämtliche anderen Kirchen der Welt. Errichtet wurde das Gotteshaus mit dem welthöchsten Turm 1377. Der Turm ist derzeit nur bis zur ersten Plattform in einer Höhe von 70 Meter zu besteigen (www.ulmer-muenster.de). Natürlich lohnt sich auch ein Blick ins Innere.
Rundgang durchs Fischerviertel
Am Ende der Fußgängerzone geht es nach rechts den Laubenberg hinab direkt zum Spielplatz Laubenberg, der umrahmt ist von der Großen Blau, die durch Ulms berühmteste Viertel fließt: das Fischerviertel.
Wo einst Handwerker wohnten, finden Besucher heute verwinkelte Gassen, Galerien, Restaurants und kleine Geschäfte. Besonders schief ist der Metzgerturm in Ulm, Tor der mittelalterlichen Stadtbefestigung, am Fischerviertel. Bei einer Höhe von etwa 36 Metern ist der Metzgerturm um zwei Meter nach Nordwesten geneigt, was einer Neigung von 3,3 Grad entspricht. Durch den Turm und die Stadtmauer hindurch geht es ans Donauufert.
Im „Ulmer Spatz“ auf der Donau
Das Donauschiff „Ulmer Spatz” fährt ab dem Anlegesteg am Metzgerturm in einer Stunde in die Friedrichsau und zurück. Mit hohem Aufwand wurde das historische Ausflugsschiff, das bis zu 30 Passagieren Platz bietet, von der Lebenshilfe Donau-Iller, restauriert.
Die Crew besteht aus Menschen mit und ohne Behinderung sowie mitreißenden Anekdoten-Erzählern. Infos gibt es unter www.ulmer-schifffahrt.de. Vorbei geht die Fahrt an der Altstadtfront, am Neu-Ulmer „Schwal“, an Enten und Schwänen sowie dem 2020 errichteten „Berblinger-Turm“.
Der Schneider von Ulm
Eine um 10 Grad geneigte und 20 Meter hohen begehbaren Wendeltreppe erinnert an den „Schneider von Ulm”, der auch als Erfinder und Flugpionier in die Stadtgeschichte eingegangen ist. Genau von hier wollte Albrecht Ludwig Berblinger im Mai 1811 vor den Augen des württembergischen Königs Friedrich I. mit seinem selbstgebauten Flugapparat über die Donau schweben, stürzte aber einen Tag später ab. Nach wie vor wird über den geflügelten Frackträger gelacht, wenn er bei den Ulmer Hauptfesten, dem „Nabada“ oder dem Fischerstechen, ins Wasser purzelt. Der 1836 in Kirchheim geborene Max Eyth hat ihn in seinem Roman „Der Schneider von Ulm“ rehabilitiert. Der Untertitel lautet: „Geschichte eines zweihundert Jahre zu früh Geborenen“. Ein Denkmal an der Adlerbastei am Donauufer erinnert an den berühmten Kirchheimer - gegenüber dem 2020 errichteten Berblinger-Turm.
Das Ulmer Rathaus
Zurück ins Zentrum geht es wieder durch den Metzgerturm hinauf zur „gläsernen Pyramide“ der Ulmer Zentralbibliothek und dem Marktplatz mit viel Gastronomie und Blick aufs Ulmer Rathaus. Es zählt nicht zuletzt wegen der Fassaden-Wandmalereien und einer astronomischen Uhr zu den herausragenden Baudenkmälern.
Museumstipps
Weiter führt der Weg über den Gebrüder Scholl-Platz zur Kunsthalle Weishaupt. Sie beherbergt eine Privatsammlung moderner Kunst in Baden-Württemberg.
(www.kunsthalle-weishaupt.de). Ein weiterer Tipp ist das Museum „Brot und Kunst“. Dieses Wissensmuseum in der Salzstadelgasse stellt die Bedeutung von Getreide, Brot und Kultur für die Entwicklung der Menschheit dar.
Nicht an einem Tag
Hinterm Münster findet man in den Gassen viele kleine Restaurants, kreative Geschäfte und Cafés. Alles zu entdecken geht nicht an einem Tag. Deshalb sollte man Ulm immer wieder auf seine Ausflugsliste setzen. Der berühmte Löwenmensch kann momentan nicht bewundert werden, da das Museum dieses Jahr geschlossen ist.
Tickets, Tarife und Tipps
Stündlich zur Minute 24 startet der IRE 200 in Wendlingen in Richtung Ulm. Ärgerlich: Mit der S-Bahn hat man nach der Abfahrt in Kirchheim um Minute 51 Uhr in Wendlingen 26 Minuten Aufenthalt. Durch die schlechte Taktung verlängert sich die Anreise von Kirchheim nach Ulm auf exakt eine Stunde. Lediglich bei der Rückfahrt flutscht es. Mit vier Minuten Umsteigezeit sind es in der Summe 40 Minuten von Ulm nach Kirchheim/Teck. Alternativ kann man hinter dem Bahnhof Wendlingen beim Park & Ride-Parkplatz für zwei Euro ein Tagesparkticket lösen.
Die Bahnfahrt ab Kirchheim nach Ulm und zurück kostet 20,40 Euro für einen Erwachsenen. Tipp: Mit dem günstigsten BW-Ticket können Gruppen bis zu 5 Personen ab frühestens 9 Uhr morgens zusammen reisen. Die erste Person zahlt 25 Euro, jede weitere sieben Euro. Und: Bis zu drei Kinder im Alter zwischen 6 und unter 15 Jahren fahren kostenfrei mit. Beliebig viele Fahrten innerhalb Baden-Württembergs an einem Tag sind möglich - sowie im Stadtverkehr Neu-Ulm.
Alle Infos zu Tickets, Tarifen und Fahrradmitnahme gibt es unter www.bwegt.de. Und unter www.bwegt.de/land-entdecken/bwegtplus kann man Reiseziele eingeben und sich bei Partnern Vorteile sichern: Im Donauschwäbischen Zentralmuseum in Ulm (www.dzm-museum.de)erhält man beispielsweise mit dem BW-Ticket ermäßigten Eintritt. jb