Welchen konkreten Wert die einzelnen Projekte haben, das muss sich erst noch herausstellen. Einen ideellen Wert aber hatten sie alle: Fünf Betriebe aus Kirchheim und Umgebung – sofern man auch die Stadtverwaltung als „Betrieb“ gelten lassen will – haben über Wochen hinweg Schülergruppen aus der 9a der Freihof-Realschule intensive Einblicke ins Berufsleben gegeben. Wichtig war beim „Coworking@school“ aber vor allem, dass es nicht einfach nur um ein Hineinschnuppern gehen sollte, also darum, anderen beim Arbeiten zuzuschauen, durch einen Blick über die Schulter. Gemeinsame Ergebnisse waren gefragt.
In Gesprächen haben sich Jugendliche und Beschäftigte mit ganz unterschiedlichen Themen auseinandergesetzt. Bei der Stadt Kirchheim etwa ging es darum, wie sich bestimmte Plätze in der Innenstadt verwandeln müssen, um auch in Hitzesommern eine hohe Aufenthaltsqualität bieten zu können. Schatten gehört dazu – den Bäume oder Sonnensegel spenden sollen –, aber auch Wasser. Außerdem sollen Blumen oder Rasen verhindern, dass versiegelte Fläche die Plätze weiter aufheizt.
Social Media als Zugang
Die anderen vier Projekte – bei der Volksbank Mittlerer Neckar, beim Autohaus Schmauder, bei der Steuerberatungsgesellschaft KKG sowie bei Elektroservice Schulz – hatten vor allem mit der Frage zu tun, wie man junge Menschen an Betriebe oder Produkte heranführen kann. Die klare Antwort: „Nur über Social Media.“
Also sind jeweils kleine Filmchen entstanden. Die Filme erklären die Arbeit im jeweiligen Betrieb oder auch die Vorteile gerade dieses einen Arbeitgebers. Andere Filme bereiten das Thema „Steuern“ so auf, dass es auch junge Leute anspricht. Oder aber es werden Vorteile von Elektroautos beschrieben.
Strategisches Denken einbringen
Die besten Chancen auf eine tatsächliche praktische Verwendung könnten die Vorschläge für die Freiflächen in der Kirchheimer Innenstadt haben. Inwieweit die Filme praxistauglich sind, muss sich erst noch zeigen. Aber das ist gar nicht so entscheidend. Viel wichtiger sind die Erkenntnisse, die die Jugendlichen aus den Projekten ziehen konnten. Bei der Abschlusspräsentation hieß es: „Es war interessant zu sehen, welch ein hohes Maß an strategischem Denken in scheinbar harmlose Social-Media-Filme zu stecken ist.“ Andere haben erfahren, dass gleich von Anfang an zu beachten ist, wie die Algorithmen auf solche Beiträge reagieren, sodass die Filme auf den jeweiligen Plattformen auch möglichst weit oben auftauchen.
Von Arbeitgeberseite aus war es ebenfalls interessant zu sehen, wie junge Leute „ticken“ und wie man sie ansprechen muss. Um fit für den Beruf zu werden oder jemanden fit für den Beruf zu machen, gibt es zudem Herausforderungen, die mitunter erst im konkreten Projekt erkennbar sind. Wer beispielsweise erklären möchte, welche Arten von Steuern es gibt, muss sich erst einmal ins Thema einarbeiten. Dabei hat sich gezeigt: Gesetztestexte zu lesen und zu verstehen, ist noch weit von der Lebensrealität der Neuntklässler entfernt.
Brücken zwischen zwei Welten
Jede einzelne Erfahrung in jeder einzelnen Gruppe hat aber deutlich gemacht, wie wichtig es ist, dass Schulen und Unternehmen enger zusammenarbeiten. Es geht dabei nicht nur um die Arbeit der Zukunft, sondern auch um die Arbeitnehmer der Zukunft.
Tanja Köhler, die das Format gemeinsam mit Anja Lippert-Hertle entwickelt hat, hält es für wichtig, Brücken zwischen Schule und Arbeitswelt zu bauen. Anja Lippert-Hertle wiederum sieht im Projekt „Coworking@school“ sogar die großen gesellschaftlichen Zusammenhänge – und zugleich einen ersten Lösungsansatz: „Wir haben uns zusammengesetzt und haben ganz schnell gesagt, lasst uns das einfach anpacken und machen.“ Das wäre der richtige pragmatische Ansatz, um alle möglichen Herausforderungen der Zukunft anzugehen – auch wenn nicht jedes Ergebnis gleich viral gehen muss.