Staatliche Hilfe für Asylbewerber
Der Kreis Esslingen führt Bezahlkarte für Geflüchtete ein

Karte statt Kohle: Das Esslinger Landratsamt wird voraussichtlich im März damit beginnen, die ersten Bezahlkarten an Asylbewerber auszugeben. Im Landkreis haben rund 3600 Flüchtlinge Anspruch auf staatliche Hilfe.

Im Kreis Esslingen werden Geflüchtete in den kommenden Monaten mit der Bezahlkarte ausgestattet. Foto: stock.adobe.com/studio v-zwoelf

Wer als Geflüchteter in Deutschland Schutz sucht und sich seinen Lebensunterhalt nicht selbst sichern kann, hat Anspruch auf Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Diese staatliche Unterstützung zahlen die Behörden künftig bargeldlos über eine Bezahlkarte aus. Ein gutes Jahr nach dem Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz wird jetzt im Südwesten schrittweise auf das neue System umgestellt.

Der Kreis Esslingen wird nach Auskunft des Landratsamtes die ersten Bezahlkarten an Geflüchtete voraussichtlich im März ausgeben. Zunächst werden nur die neu vom Land zugewiesenen Flüchtlinge mit der Karte ausgestattet, erläutert die Sprecherin der Esslinger Kreisverwaltung, Andrea Wangner.

Karten werden nach und nach verteilt

Nach dem erfolgreichem Start soll die Bezahlkarte in den kommenden Monaten dann schrittweise an die Asylbewerber verteilt werden, die in den kreisweit 34 Gemeinschaftsunterkünften leben. „Aktuell beziehen rund 3600 Personen im Kreis Esslingen Leistungen nach dem Asylbewerbergesetz“, informiert Wangner.

Die Asylsuchenden müssen laut der Behördensprecherin zuvor „rechtzeitig und umfassend über die anstehenden Änderungen informiert und die entsprechenden Leistungsbescheide ordentlich umgesetzt werden“. Die Sachbearbeiter im Amt für Integration und Flüchtlingsaufnahme würden derzeit geschult, die Registrierung der personalisierten Karten sei mit der vorhandenen technischen Ausstattung möglich. Wangner räumt ein: Es sei derzeit „noch nicht ersichtlich, wann die Umstellung komplett abgeschlossen ist“.

Ist in der Startphase zunächst mit einem gewissen Verwaltungsaufwand zu rechnen, erhoffen sich die meisten Landratsämter von der Karteneinführung langfristig eine Vereinfachung der Abläufe. Denn es müssen keine Bargeldbestände mehr gelagert, verwaltet und ausgegeben werden. Für Asylbewerber, die kein Girokonto haben, entfällt das monatliche Abholen des Geldes beim Amt. Sozialbeträge, die bisher in Form von Bargeld ausgegeben wurden, werden nun auf die Bezahlkarte aufgeladen.

Bei der Bezahlkarte handelt es sich um eine guthabenbasierte Visa-Debitkarte, die ohne hinterlegtes Konto funktioniert. Sie kann in allen Geschäften eingesetzt werden, in denen Visa-Karten akzeptiert werden. Auch für den Onlinehandel ist die Karte prinzipiell zugelassen. Zudem können sich die Karteninhaber an Geldautomaten oder in Geschäften Bargeld auszahlen lassen, der Betrag ist allerdings auf monatlich 50 Euro pro Person begrenzt.

Überweisungen eingeschränkt möglich

Transaktionen sind nur eingeschränkt möglich. Die Ämter können entscheiden, an welche IBAN Überweisungen möglich sind und auf welchen Onlineplattformen mit der Karte bezahlt werden kann. Das Land hat dafür sogenannte Positiv- und Negativlisten erarbeitet. Demnach sind beispielsweise Zahlungen für Nahverkehrstickets erlaubt, an bestimmte Finanztransfer-Dienstleister hingegen untersagt.

Der Grundgedanke der Karteneinführung ist: Geflüchtete sollen die staatliche Unterstützung allein dafür verwenden, das Leben in Deutschland zu finanzieren. Die Bezahlkarten sind daher so eingestellt, dass das Guthaben nicht an Empfänger ins Ausland transferiert werden kann. So will man Geldzahlungen an Schleuser oder an die Familien in den Heimatländern verhindern.

Politik sieht „Beitrag zur Bekämpfung der Schleuserkriminalität“

„Durch eine gezielte Steuerung und Kontrolle der Gelder tragen wir aktiv zur Bekämpfung von Schleuserkriminalität bei“, betonte der Migrationsstaatssekretär Siegfried Lorek (CDU) beim offiziellen Start der Kartenausgabe in Baden-Württemberg im vergangenen Dezember. „Zudem reduzieren wir durch die Umstellung Anreize für eine irreguläre Asylmigration nach Deutschland.“

Flüchtlingsrat kritisiert „populistische Symbolpolitik“

Heftige Kritik kommt unter anderem vom Flüchtlingsrat Baden-Württemberg. Er kritisiert die Bezahlkarte als „populistische Symbolpolitik“. Sie sei „ein Paradebeispiel für die aktuelle Migrationspolitik, die sich nicht an Fakten orientiert, sondern die dazu beiträgt, Vorurteile über geflüchtete Menschen zu schüren“, heißt es in einer Mitteilung.

Es gebe keinerlei empirische Grundlage für die massenhaft verbreitete Annahme, geflüchtete Menschen würden in großem Stil Gelder aus staatlichen Leistungen ins Ausland überweisen, verweist der Flüchtlingsrat auf eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung Berlin (DIW). Der zufolge würden nur sieben Prozent der in Deutschland lebenden Geflüchteten Geld ins Ausland überweisen.

Fakten zur Bezahlkarte

Voraussetzungen: Eine Unternehmenskooperation hat das gemeinsame Ausschreibungsverfahren von 14 Bundesländern zur Einführung eines Bezahlkartensystems für Geflüchtete für sich entschieden. Mit der Änderung des am 16. Mai 2024 in Kraft getretenen Asylbewerberleistungsgesetzes wurden einheitliche Rahmenbedingungen geschaffen.

Empfänger: Alle volljährigen Menschen in Baden-Württemberg, die gemäß Asylbewerberleistungsgesetz staatliche Hilfe bekommen, erhalten eine eigene Bezahlkarte mit dem ihr/ihm individuell zustehenden Leistungsbetrag. Im Regelfall erhält ein alleinstehender Erwachsener 441 Euro monatlich.

Verwendung: Die Bezahlkarte gibt es entweder digital für das Smartphone oder als physische Karte für das Portemonnaie. Sie ermöglicht die bargeldlose Zahlung bei deutschlandweit knapp 1,3 Millionen stationären Händlern. Zudem können sich die Karteninhaber an bundesweit 53 000 Geldautomaten (gegen Gebühr) sowie an den Kassen von rund 11 000 Supermärkten, Drogerien und Geschäften (gebührenfrei) Bargeld auszahlen lassen. eh