Die erste Pfarrstelle nach dem Vikariat ist zur Probe, diese Stelle schlägt der Oberkirchenrat in Stuttgart vor. So kam Lydia Abrell vor drei Jahren nach Kirchheim. Nun konnte sie sich erstmals selbst bewerben – entweder um eine Pfarrstelle woanders oder um ihre eigene. Sie entschied sich für Letzteres und wurde vom Besetzungsgremium gewählt.
„Ich bleibe in Kirchheim, und ich bleibe gern“, sagt sie. Sie erlebt die Zusammenarbeit im Pfarrteam der Stadtkirchengemeinde als gegenseitige Ergänzung – so könne jeder möglichst viel in den Bereichen arbeiten, in denen seine Gaben liegen. Sie schätzt es auch, dass sie es in Kirchheim mit Menschen zu tun hat, die den christlichen Glauben auf ganz unterschiedliche Weise leben möchten. Was sich ändert: Bisher war Lydia Abrell zu 75 Prozent auf ihrer Pfarrstelle und zu 25 Prozent vertretungsweise in der Klinikseelsorge tätig. Nun nimmt die Pfarrstelle Süd 100 Prozent ein.
Wie ist Lydia Abrell Pfarrerin geworden? Als Schülerin war sie in Stuttgart-Rohr in der kirchlichen Jugendarbeit engagiert. „Theologie hat mich interessiert, so ging ich zum Studium nach Tübingen“, sagt sie. Pfarrerin zu werden, konnte sie sich zu Beginn noch nicht vorstellen, das kam erst mit der Zeit. Aber sie brachte einen Bonus mit: „Die alten Sprachen haben mir Spaß gemacht.“ Latein hatte sie schon an der Schule gelernt, so standen an der Uni nur noch Griechisch und Hebräisch an. Für jeweils zwei Semester wechselte sie von Tübingen, wo sie im Stift wohnte, nach Wien und Leipzig. Nach dem Examen in Tübingen ging sie für ihr Vikariat nach Rutesheim. Kirchheim war ihr beim Umzug bereits aus mehreren Gründen bekannt: von Familienausflügen auf die Schwäbische Alb, auch zum Skifahren in Ochsenwang, und durch Ernst Leuze, 38 Jahre lang Bezirkskantor in Kirchheim. „Er ist der Zwillingsbruder meiner Oma.“
Ihre Wege in Kirchheim sind kurz und werden oft per Fahrrad zurückgelegt. „Als mein Auto kaputt war, habe ich kein neues gekauft. Wenn ich mal eines brauche, nutze ich Stadtmobil.“ Sie wohnt direkt über dem Familienzentrum im Ernst-Traub-Gemeindehaus neben der Christuskirche. Die einzige evangelische Kita in Kirchheim – sie besucht diese regelmäßig – ist gleich nebenan. Sie unterrichtet an der Alleenschule Religion und freut sich, dass sie daher manche Familien schon kennt. Sie leitet eine von drei Konfi-Gruppen der Stadtkirchengemeinde, bei denen die Jugendlichen den Ort selbst aussuchen dürfen – etwa dort, wo auch ihre Freunde sind.
Lydia Abrell ist Vorsitzende der Kirchheimer Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK), die Katholiken und Evangelische in Landes- und Freikirchen verbindet. „Ich möchte das ökumenische Potenzial mehr nutzen“, sagt sie. In der guten Zusammenarbeit über Konfessionsgrenzen hinweg sieht sie die Zukunft der Kirche. „Es ist schön, dass man viel ausprobieren kann“, sagt die Pfarrerin, die voller Überzeugung hinter dem „Priestertum aller Gläubigen“ steht: „Menschen sollen Kirche als etwas erleben, das sie mitgestalten können. Es wird immer mehr mein Job, Ehrenamtliche zu begleiten und zu schulen.“ Nicht nur das sei wertvoll, was einst das 50-jährige Bestehen feiern könne. Es könne auch ein Angebot sein, das schon nach ein paar Jahren seine Zeit gehabt habe. Was sie auf jeden Fall ausprobieren möchte, sind Segensangebote für verschiedene Lebenslagen, etwa für Schwangere. Manchmal wird sie überrascht: „Vor Kurzem wollten nach einem Konzert, bei dem es gar nicht so viele Texte gab, zwei Leute in die Kirche eintreten.“
Wer sich mit der Pfarrerin unterhalten möchte, kann das nicht nur über Theologie: Sie wandert gern auf der Schwäbischen Alb und bei Hüttentouren, fährt gern Ski, spielt Cello und singt. Außerdem mag sie Gedichte und kennt viele sogar auswendig.
Die Investitur wird am morgigen Sonntag, 12. Oktober, um 15 Uhr in der Christuskirche, Hindenburgstraße 46, im Rahmen des Erntedankgottesdienstes gefeiert. Anschließend gibt es Kaffee und Kuchen.

