Es kommt nicht alle Tage vor, dass ein Feuerwehrfahrzeug, das für Kurzstrecken gemacht ist, über 2400 Kilometer am Stück zurücklegt, schon gar nicht im „Ruhestand“. Doch „Chantal“, wie die Fahrer liebevoll sagen, hat eine Mission: Das ausgemusterte Fahrzeug der Abteilung Ötlingen der Freiwilligen Feuerwehr Kirchheim wird im ukrainischen Sarata ein Fahrzeug ersetzen, das im Krieg beschädigt wurde. Eine Mission hat nämlich auch der Gemeinderat Kirchheim: „Wir wollen eine offizielle Solidaritätspartnerschaft begründen“, sagt Oberbürgermeister Dr. Pascal Bader. Ein weiteres Fahrzeug wird bald überführt, eine PV-Anlage in Sarata installiert. Der Gemeinderat setzt damit auch ein politisches Statement, wie die zur Übergabe mitgereisten Stadträte Ulrich Kübler, Giancarlo Crescente und Dr. Martin Gienger betonen.
Drei Feuerwehrmänner aus Ötlingen erklärten sich trotz aller Gefahren spontan bereit, „Chantal“ nach Sarata zu bringen. Ihre Familien waren zunächst wenig begeistert, doch alle drei hatten eine besondere Motivation: Horst Hahns Mutter stammt aus Bessarabien, Klaus Renz war Chantals erster Fahrer und wollte auch ihr letzter sein, Tobias Wolfer war in seiner kompletten Feuerwehrzeit mit Chantal im Einsatz. Voll beladen mit Hilfsgütern wie Verbandsmitteln vom Roten Kreuz machten sie sich auf den Weg. „Zum Glück konnten wir uns an den Verein „Ermstal hilft“ anhängen, die ebenfalls ein Fahrzeug überführten“, betont Horst Hahn dankbar. Der Kontakt war über den Bessarabiendeutschen Verein entstanden.
So traten also zwei Fahrzeuge die beschwerliche Reise an. Der kleine Konvoi tuckerte über 2400 Kilometer in 30 Fahrstunden durch ganz Österreich, Ungarn und Rumänien. Ein großes Problem war das Tanken. Chantals Tank umfasst nämlich nur 70 Liter, um Raum für Zuladung im Einsatz zu haben. Auch den Verbrauch mussten die Fahrer schätzen, war das Vehikel doch bisher nur Kurzstrecken gefahren. „15 Liter auf 100 Kilometer“, kann
Der Tank fasst nur 70 Liter, wir waren dauernd auf der Suche nach Tankstellen.
Fahrer Klaus Renz beschreibt eine von zahlreichen Herausforderungen, die die Überführung des für Kurzstrecken gemachten Feuerwehrfahrzeugs mit sich brachte.
Klaus Renz den Verbrauch heute genau benennen. Horst Hahn erinnert sich, wo am meisten für den Sprit bezahlt werden musste: „Bei Wien kostete ein Liter Diesel 2,09 Euro.“
In Rumänien lauerte das fahrtechnisch schwierigste Stück: 120 Kilometer kurvige Landstraße durch die Karpaten, wo sich das Trio dann eine Übernachtung gönnte. Über die Donau führte Chantals erste Fährfahrt. Für die Aus- und Einreise an der EU-Außengrenze war ein ganzer Tag für Formalitäten erforderlich, ehe die letzte 400 Kilometer lange Etappe bis Sarata angegangen werden konnte. Dort wurden Chantal, die Fahrer und die kleine Kirchheimer Delegation, die per Flugzeug angereist war, euphorisch begrüßt.

Mit einem Festakt feierten alle die Unterstützung aus Deutschland. Viele Eindrücke nahmen die Kirchheimer dabei mit. So schlug beispielsweise während der Übergabe die App an, die Luftalarm signalisiert. Doch raketensichere Bunker gibt es in Sarata nicht, allenfalls gegen Splitter kann man sich schützen. Zumindest im ländlichen Raum wie der Region Sarata geht man also weiter seinen Alltagsbeschäftigungen nach – auch wenn das Gefahren birgt. „Die größte Gefahr ist die Gewöhnung“, zitiert Ulrich Kübler einen Ukrainer. Alle aus der Delegation haben heute noch die App auf dem Handy und leiden mit.
Beim Gang über den Friedhof wurden die Gäste mit extremer Trauer und Leid konfrontiert, denn dort liegen die 29 im aktuellen Krieg gefallenen Bürgern der 14000-Einwohner-Stadt. Giancarlo Crescente, der jüngste Mitreisende, bedrückte besonders der Besuch in einer Schule. Dort gehört Waffenkunde- und Drohnenunterricht zum Lehrplan, mit dem Schulabschluss ist man für den Krieg vorbereitet.
An einen baldigen Frieden glaub in Sarata niemand. Umso wichtiger ist den Menschen die Unterstützung durch Fahrzeuge und andere Hilfsmittel. Kirchheim wird hier weiter einen Beitrag leisten, wie der Oberbürgermeister klarmachte. Im Herbst soll das nächste ausgemusterte Feuerwehrfahrzeug aus Nabern die Reise gen Osten antreten.
Die Fahrt nach Sarata ist Thema des „Stadtgesprächs“ im „BürgerTreff“ am Freitag, 16. Mai, von 16 bis 18 Uhr im Mehrgenerationenhaus Linde. Horst Hahn, Tobias Wolfer und Klaus Renz berichten von ihren Erlebnissen. Der Eintritt ist frei.