Gedenken
Feier für Verstorbene ohne Angehörige

Der Arbeitskreis Bestattungskultur will Menschen würdevoll verabschieden, die in aller Stille beigesetzt wurden. Diese besondere Art des Gedenkens feierte auf dem Nürtinger Waldfriedhof Premiere.

Sie haben erstmals eine Trauerfeier für Verstorbene ohne Angehörige in Nürtingen organisiert (von links): Agnes Toczek, Anne Schaude und Peter Seidl. Foto: Kai Müller

Manchmal braucht es einfach einen Impuls, eine Idee – und zwei Mitstreiter. Anne Schaude war in diesem Fall die Impulsgeberin. „Ich hatte im Fernsehen einen Beitrag über eine Trauerfeier für Verstorbene ohne Angehörige in Halle gesehen“, sagt die Krankenschwester im Ruhestand und Mitbegründerin der Arbeitsgruppe Hospiz. Die Stadt in Sachsen-Anhalt bietet einmal im Monat diese besondere Feier an. Das wäre doch etwas für Nürtingen, dachte sich Schaude und erzählte der evangelischen Pfarrerin im Ruhestand, Agnes Toczek, von ihrer Idee. Die beiden Frauen kennen sich aus den gemeinsamen Jahren im Dr.-Vöhringer-Heim. Toczek war dort früher Altenpflegeheimseelsorgerin. Beiden sei sofort klar gewesen. „Wir wollen die Trauerfeier auf eine ökumenische Basis stellen“, sagt Toczek. So kam dann der Dritte im Bund dazu: Peter Seidl, katholischer Diakon im Ruhestand. Große Überzeugungsarbeit mussten die Frauen nicht leisten. „Das stieß auf fruchtbaren Boden“, sagt Seidl, der früher auch als Notfallseelsorger tätig war.

Kirchenzugehörigkeit spielt keine Rolle

Im April dieses Jahres gründeten die drei den Arbeitskreis (AK) Bestattungskultur. Das Ziel: Eine Erinnerungsfeier für Verstorbene anzubieten, die ohne Feier eingeäschert wurden. Die Behörde spricht dabei von „Verstorbenen ohne bestattungspflichtige Angehörige“. Diese Menschen werden auf dem halbanonymen Gräberfeld auf dem Nürtinger Waldfriedhof beigesetzt.

 

Wir wollen den Verstorbenen einen Namen und Ansehen geben.

Peter Seidl

 

Das heißt: Auf einer Stele wird der Name angebracht. Wo sich das Grab in der Urnenreihe befindet, wird nicht kenntlich gemacht. „Sie sind ohne Wahrnehmung in aller Stille beigesetzt worden“, sagt Seidl. Doch für ihn und seine zwei Mitstreiterinnen steht fest: „Wir wollen den Verstorbenen einen Namen und Ansehen geben.“ Dabei unterscheide man nicht nach Kirchenzugehörigkeit, sagt Toczek. Die Trauerfeier sei als offene Feier angelegt, auch wenn liturgisch einige gottesdienstliche Elemente enthalten sind.

Von Oberbürgermeister Johannes Fridrich, dem Friedhofsamt und dem Standesamt sei die Idee sehr offen aufgenommen worden, sagt Toczek. Die Aussegnungshalle stellt die Stadt kostenfrei zur Verfügung. Die beiden Dekanate der Kirchen kommen für die sonstigen Kosten auf. Der Arbeitskreis ist dafür sehr dankbar. „Wir haben ja auch kein Budget dafür“, sagt Agnes Toczek über die willkommene Starthilfe.

An sechs Verstorbene wurde bei der ersten Erinnerungsfeier dieser Art in Nürtingen gedacht. Von ihnen wissen die Organisatoren der Veranstaltung nur die Vornamen und das Alter. Auf dieses Vorgehen hatte man sich mit der Stadt geeinigt. Der Datenschutz lässt da grüßen. Ob die Personen alle aus Nürtingen stammen oder auch nur in der Medius-Klinik in Nürtingen verstorben sind, weiß man ebenfalls nicht. Aber darum geht es den drei Mitgliedern das AK Bestattungskultur auch nicht. „Wir wollten diese Menschen in Würde verabschieden“, bringt es Schaude auf den Punkt. So wurden die Namen noch ein letztes Mal vorgelesen. Für jeden Namen wurde bei der Trauerfeier eine Kerze entzündet. Neben jeden Verstorbenen wurde eine Blume gestellt.

Ein oder zweimal im Jahr soll es künftig eine solche Trauerzeremonie geben. Zwar geht es in erster Linie darum, die Verstorbenen aus der Anonymität zu holen und ihnen die Wertschätzung zukommen zu lassen, die ihnen am Ende ihres Lebens verwehrt blieb. Seidl spannt den Bogen noch ein Stück weiter: „Die Trauerfeier bringt auch insgesamt das Thema Sterben ins Bewusstsein.“ Das könne „hilfreich für alle sein“.