An diesem Abend hagelt es Fragen im Sitzungssaal des Weilheimer Rathauses. Das Thema : „Abwärmenutzung Rosenloh und Nahwärmeversorgung“. Neben der möglichen Verwendung der Abwärme sorgt auch ihr Ursprung für Interesse. Die Studie, die Ingenieur Tobias Nusser vorstellt, beruht nämlich auf der Annahme, das künftig grüner Wasserstoff in Weilheim hergestellt wird. Mit der Abwärme aus einer Elektrolysestation könnten nicht nur das Gewerbegebiet, sondern auch städtische Gebäude und Wohnhäuser versorgt werden.
Vor gut einem Jahr hatte der Weilheimer Gemeinderat beschlossen, einen Fahrplan für eine klimaneutrale Wärmeversorgung bis 2040 ausarbeiten zu lassen, und zwar freiwillig: Verpflichtend ist eine kommunale Wärmeplanung erst für Stadtkreise und Große Kreisstädte ab 20 000 Einwohnern. Das erklärte Ziel der 10 000-Einwohner-Stadt lautet aber: Vorreiter sein und möglichst schnell weg von Öl und Gas zu kommen.
Laut der Studie wäre eine Nahwärmeversorgung im Bereich Rosenloh und auch für weitere Bereiche Weilheims nicht nur möglich, sondern auch wirtschaftlich. Die Technik und die Überlegungen dahinter sind allerdings hochkomplex. In groben Zügen funktioniert sie so: „ Bei der Wasserstoffproduktion fällt Abwärme an“, erklärt Tobias Nusser. Bei der Elektrolyse wird Wasser mit Hilfe von Strom in Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt. Weil grüner Wasserstoff erzeugt werden soll, würde entweder Strom aus lokalen Photovoltaik-Anlagen oder eben Ökostrom aus dem Netz verwendet.
Wärmespeicher und Wärmepumpen sind gefragt
Die Wärme, die dabei entsteht, könnte einfach direkt für das Gewerbegebiet Rosenloh genutzt werden. Allerdings wäre die Abwärme damit zeitlich an die Wasserstoffproduktion gekoppelt, und der Überschuss bliebe ungenutzt. Die Lösung wären Speicher. „Als Technologie drängen sich Langzeitwärmespeicher auf“, sagt Tobias Nusser. Sie funktionieren mit Wasser, hätten einen Durchmesser von rund 14 Metern und wären 20 Meter hoch. Durch eine Hochtemperatur-Wärmepumpe ließe sich dann noch die Temperatur vom Ursprungsniveau 55 bis 60 Grad auf 60 bis 70 Grad steigern, um auch die öffentlichen Gebäude – konkret: die Limburghalle und das Bildungszentrum Wühle – versorgen zu können.
Sollen Gewerbegebiet, städtische Gebäude und das Wohngebiet zwischen der Firma Kächele, der Zeller und der Kirchheimer Straße angeschlossen werden, würden sich die Investitionskosten auf rund neun Millionen Euro belaufen. Ohne Wohngebiet wären es gut sechs Millionen Euro. 40 Prozent davon könnten durch staatliche Fördermittel abgedeckt werden. Am Ende, so rechnet Tobias Nusser vor, stünde dann ein Wärmepreis von 99 bis 123 Euro pro Megawattstunde, der – Stand heute – einiges günstiger wäre als der Gaspreis von 160 Euro pro Megawattstunde. Um auf der sicheren Seite zu sein, wäre aus seiner Sicht auch eine Anschluss- und Benutzungspflicht sinnvoll.
Viele Fragen rund um Nahwärme und Wasserstoffproduktion
Dann kommen die Fragen der Stadträte. Ob die Wasserstoffproduktion an der Stelle genehmigungsfähig ist: Ist sie, wie Tobias Nusser versichert. Er kennt sich mit Wasserstoff aus, hat sein Büro doch bereits die Wasserstoffproduktion für den Brennstoffzellenhersteller Cellcentric in der Esslinger Pliensauvorstadt umgesetzt. Gespeichert werden soll der Wasserstoff in Stahltanks. „Die Menge liegt aber unter der Störfall-Grenze.“ Die Anlage wird also nicht als Risiko eingeschätzt.
Ebenfalls von Interesse: Wer die Wasserstoffproduktion und das Nahwärmenetz betreiben wird. „Das läuft in der Regel über eine Ausschreibung“, so Nusser. Aus seiner Sicht wäre auch ein Betreiber für beides möglich. Zu bedenken gibt er: „Wärme ist eine kommunale Aufgabe.“
Warum das Gewerbegebiet Tobelwasen nicht angeschlossen wird, lautet eine weitere Frage. Die Antwort: Weil die kommunalen Gebäude und das Wohngebiet kontinuierlicher Wärme abnehmen und eine attraktivere Wärmesenke darstellen.
Ob es realistisch ist, dass im Wohngebiet 30 Prozent der Haushalte auf Nahwärme umsteigen. „Das ist ein geschätzter Wert“, erläutert Tobias Nusser. Aber: Der Anteil der Haushalte dort, die mit Öl und Gas heizen, ist hoch. „Da werden sich viele Gedanken um Alternativen machen müssen.“
Konkret weitergeplant wird an dem Abend nicht mehr. Die Fakten liegen für erste auf dem Tisch. Viele Fragen sind aber noch offen – angefangen mit dem Zeitplan für das Gewerbegebiet Rosenloh selbst, über das Thema Anschlusszwang und den möglichen Betreiber bis hin zur Wasserstoffproduktion selbst, die ja der Ursprung der Wärme wäre. Sie soll laut Stadt voraussichtlich frühestens 2028 in Betrieb gehen.
Unternehmen plant Aufbau von Wasserstoffinfrastruktur
Interesse daran bekundet, eine Wasserstoffproduktion in Weilheim aufzubauen, hat bereits die Firma „HY.Teck“, ein Gemeinschaftsunternehmen der Firma Fischer Weilheim und des Erneuerbare-Energien-Unternehmens GP Joule mit Sitz in Nordfriesland. Die Region Stuttgart hatte im Februar zugesagt, das innovative Projekt mit 4,6 Millionen Euro zu fördern – falls es denn kommt. Denn offiziell entschieden und genehmigt ist bis jetzt noch nichts. Beworben hatte sich die Firma mit Plänen, die eine Produktionsanlage für grünen Wasserstoff und eine Befüllstation für mobile Speichercontainer im östlichen Bereich des geplanten Gewerbegebiets Rosenloh vorsehen.