Kunst
Horizont als inneres Erlebnis

Angelika Tackes Ausstellung in der Galerie Diez in Dettingen verbindet äußere Landschaft mit seelischer Topografie.

Angelika Tacke stellt in der Dettinger Galerie Diez aus. Foto: Florian Stegmaier

Landschaft entsteht nicht nur dort, wo sich Himmel und Erde berühren. Manchmal entfaltet sie sich auch auf der Leinwand – oder im Inneren der Betrachter. In der Ausstellung „Horizonte“ in der Dettinger Galerie Diez zeigt die Kirchheimer Künstlerin Angelika Tacke Werke, die weit mehr sind als bloße Landschaftsbilder. Ihre Malerei eröffnet Möglichkeitsräume. Räume, in denen Farbe, Form und Linie miteinander ringen.

Ein malerischer Dialog

Was Tacke auf der Leinwand vollzieht, ist ein malerischer Dialog mit elementaren Kräften. Ihre Ölbilder, die vielfach in gestischer Bewegung gehalten sind, lassen Reminiszenzen erkennen – etwa an den Albtrauf oder an fernöstliche Inselwelten. Doch es sind keine Abbilder. Vielmehr werden landschaftliche Impressionen in ein freies Spiel der Kräfte übersetzt, in ein vibrierendes Gleichgewicht von Nähe und Weite, Dynamik und Ruhe. Tackes Acrylbilder lösen sich ganz von gegenständlicher Lesbarkeit – und gewinnen gerade dadurch an Tiefenwirkung. Licht, Wärme, Wasser scheinen darin auf. Aber nicht als Motiv, sondern als Stimmung, als farbpsychologische Erfahrung. Keineswegs verweigert sich die Künstlerin der Schönheit. Doch sie macht es den Betrachtern auch nicht zu bequem. Ihre Kunst will nicht bloß gefallen. Sie lädt ein zum Miterleben. Rezeption als schöpferischer Akt: Wer sich auf Tackes Werke einlässt, wird selbst Teil des künstlerischen Prozesses. Zwischen Bild und Beschauer stellt sich Resonanz ein. Die Werke geben keine fertigen Landschaften vor – sie lassen sie im Auge des Betrachters entstehen.

Manchmal, so scheint es, liegt ihr wahrer Horizont nicht im Dargestellten, sondern im Inneren der Betrachter. Dass Farbe in diesem Prozess weit mehr ist als gefälliges Dekor, zeigt Tackes Bezug zur Farbenlehre Goethes. Anders als Newton, der die Farbe aus dem physikalischen Licht herleitete, verstand Goethe sie als Ausdruck qualitativer Wirkkräfte. In Tackes Malerei leuchten diese Kräfte auf: Farbe als bewegte Substanz, als Träger von Empfindung. Diese Wechselwirkung von Wahrnehmung und Ausdruck durchzieht die gesamte Ausstellung. Was als Landschaft erscheint, wird zur seelischen Topografie. Was abstrakt wirkt, berührt doch konkret. In diesem Spannungsfeld zwischen Form und Gefühl entfaltet sich Tackes künstlerisches Anliegen: Die Betrachter nicht zu Konsumenten, sondern zu Mitgestaltern eines Bild-Erlebens zu machen.

Angelika Tacke, geboren 1962 in Frankfurt am Main, war lange auf internationalen Bühnen als Eurythmistin unterwegs. Ihre Erfahrungen aus Bewegung, Rhythmus und Pädagogik fließen in ihr malerisches Schaffen ein. Seit 2017 widmet sie sich intensiv der bildenden Kunst. Studien im Dettinger Atelier von Kerstin Starkert, in der „Fabrik am See“ sowie der Freien Kunstakademie Gerlingen zählen zu ihren prägenden Stationen.

Die Ausstellung „Horizonte“ ist noch bis Montag, 23. Juni, täglich von 16 bis 18 Uhr in der Galerie Diez in Dettingen zu sehen. Wer sie besucht, sollte Zeit und Offenheit mitbringen. Denn manchmal eröffnet sich ein neuer Horizont genau dort, wo man aufhört, nur zu schauen und anfängt, wirklich zu sehen.