Ausstellung
Künstlerische Wechselwirkung

Die Jury von „Kunst in der Region“ präsentiert in der Nürtinger Kreuzkirche Werke von Marc Dittrich und Hannelore Weitbrecht. Unter dem Titel „Habitate“ entfalten ihre Werke anregende Resonanz.

Hannelore Weitbrecht und Marc Dittrich greifen beide das Thema „Lebensräume“ in ihren Werken auf. Foto: Florian Stegmaier

Im Dachgeschoss der Nürtinger Kreuzkirche betritt man einen poetischen Raum. Dort entfalten zwei künstlerische Positionen unverhoffte Wechselwirkung. Lyrisch und kraftvoll spüren die Papierobjekte von Hannelore Weitbrecht Wachstum und Vergehen nach. Den Reichtum organischer Gestalt erschließen sie als ästhetische Qualität. Weitbrechts sensible Formensprache tritt in Dialog mit gewobenen Texturen von Marc Dittrich. Fotografien moderner Großstadtarchitektur liefern das geometrische, lebendig pulsierende Gerüst. Papier, Struktur und Rhythmus geben den visuellen Takt an. Raumgreifend erweitert Dittrich die Bildebene ins Plastische. Einige seiner Architekturen erleben Momente der Transzendenz: Sie überschreiten die Grenzen der Schwerkraft und heben ab. Zu sehen an windschnittigen Fransen, die wie schwebende Skulpturen aus den Fundamenten wachsen. Ein Geflecht feinfühliger Tentakel, das im Gegenüber mit Weitbrechts Naturalienkabinett an Luftwurzeln erinnert.

Der Jury von „Kunst in der Region“ ist es gelungen, zwei völlig unterschiedliche Ansätze in fruchtbare Resonanz zu bringen. Hannelore Weitbrecht gehört zu den ersten Absolventinnen der Freien Kunstakademie Nürtingen. Nach ihrer Schaffensphase als Malerin begann sie sich 1993 der Installation und den Papierobjekten zuzuwenden. Und das mit großem Erfolg. Zahlreiche Preise und Stipendien sowie eine rege Ausstellungstätigkeit belegen, dass die Kirchheimerin längst zu den bedeutendsten Papierkünstlerinnen des deutschen Südwestens zählt.

Verbindendes Motiv

Marc Dittrich hat bei den Professoren Udo Koch und Mike Hentz an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart studiert. In den Jahren 2013 bis 2016 war er Stipendiat des Landkreises Esslingen. Der Künstler lebt und arbeitet in Deizisau und Kirchheim. Die Begeisterung über das gelungene Zusammenspiel beider Kunstschaffender war auch Laudator Dr. Tobias Wall bei der gut besuchten Vernissage anzumerken. Der Ausstellungstitel „Habitate“, also Lebensräume, diente ihm als verbindendes Motiv, das beide Künstler aufgreifen: „Marc Dittrich, indem er sich mit menschlichen Behausungen auseinandersetzt, und Hannelore Weitbrecht, indem sie mit ihren Objekten eigene rätselhafte Lebensräume entstehen lässt.“ 

In Weitbrechts Arbeiten würdigte Wall die Gleichzeitigkeit von Bewegtheit und Strenge, von Ruhen und Wachsen: „Es ist, als ob sich die Künstlerin mit den Kräften der Natur verbindet und in bildnerischen Gedichten die Schönheit und Zerbrechlichkeit alles Kreatürlichen zur Erscheinung bringt.“ 

Auch Dittrich schöpfe aus einem gehaltvollen Formenschatz: „Er löst Bilder von Architekturen in Streifen auf und flicht daraus eine Parallelwelt.“ Der Leichtigkeit, mit der Architektur bewege, sei ein gewisser Humor nicht abzusprechen. Wall verwies auf Dittrichs übermannshohe „Berliner Philharmonie-Qualle“, die dem wuchtigen Bau zu schwereloser Anmutung verhilft. So erhalte Dittrichs Kunst „einen eigenen Sound – pixelig schillernd leicht“.

 

Künstlergespräch

Die Ausstellung Kunst in der Region – „Habitate“ mit Arbeiten von Marc Dittrich und Hannelore Weitbrecht ist bis einschließlich 10. November im Dachgeschoss der Nürtinger Kreuzkirche zu sehen. Am Mittwoch, 23. Oktober, findet um 18 Uhr ein Künstlergespräch in der Ausstellung statt.