In der Dettinger Galerie Diez sind „Zeitstoffe“ zu sehen – und mit ihnen drei künstlerische Positionen, die das Spannungsfeld zwischen Material, Erinnerung und Raum ausloten. Die Ausstellung ist Teil der Reihe „Kunst in der Region“, die im jährlichen Wechsel durch Kirchheim, Nürtingen und Wendlingen wandert.
Eröffnet wurde die Schau durch Kirchheims Oberbürgermeister Dr. Pascal Bader, der in seinem Grußwort nicht nur die Bedeutung des regionalen Kulturaustauschs betonte, sondern auch einen Ausblick wagte: In drei Jahren, so seine Hoffnung, werde die nächste Auflage von „Kunst in der Region“ wieder im generalsanierten Kirchheimer Kornhaus stattfinden.
Der Raum als Teil des Werks
Die Galerie Diez – früher ein Ladengeschäft – bietet für „Zeitstoffe“ eine Bühne, die selbst Teil des Konzepts ist. Regale, Schränke und die Spuren früherer Nutzung haben die Ausstellenden bewusst einbezogen. „Die Gegebenheiten werden Teil des Spiels“, erklärte der Nürtinger Künstler Michael Gompf, der die Einführung hielt. Die Ausstellung vereint Werke von Maria Grazia Sacchitelli, Wolfgang Zieher und Benjamin Bronni – drei Kunstschaffende, deren Arbeiten von vorgefundenen Materialien und deren assoziativer Verwendung geprägt sind.
Die in Stuttgart lebende Malerin Maria Grazia Sacchitelli, Absolventin der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste, arbeitet mit gefundenen und gesammelten Dingen: Billigschmuck, Schweißdraht, Angelhaken oder marmorierten Papieren. In ihren Arbeiten begegnen sich Zufall und Ordnung, Täuschung und Schönheit. Was zunächst schmückend erscheint, verweist auf das Fragile und Flüchtige – auf jene „Zeitstoffe“, die Erinnerungen tragen und zugleich vergehen.
Wolfgang Zieher aus Nürtingen – Künstler, Kunsthistoriker und ehemaliger Lehrer an der Nürtinger Fritz-Ruoff-Schule – widmet sich in seinen Assemblagen den Überbleibseln des Alltags: Plastikabfällen, Verpackungsresten, Kunststofffragmenten. Seine Objekte wirken wie Modelle oder Prototypen, halb zufällig, halb präzise komponiert. Abgerungen sind sie einem langwierigen Prozess von Versuch und Irrtum, von Formsuche und technischer Tüftelei. Manche Werke erinnern an utopische Architekturen, andere an Relikte einer fernen Zukunft. „Ziehers Objekte konfrontieren naive Machbarkeitsfantasien mit dem Ewigkeitsmüll unserer Gegenwart“, so Michael Gompf.
Benjamin Bronni, der Kunst in Stuttgart und Lyon studierte, schlägt eine Brücke zwischen Malerei, Skulptur und digitaler Technologie. Architektur ist für ihn Ausgangspunkt und Resonanzraum zugleich. Seine Werke untersuchen Raum, Materialität und Illusion – Gemälde, Wandobjekte und Skulpturen treten miteinander in Beziehung. In der Arbeit „aus einem Raum“, die in Kooperation mit seiner Frau Heidi Grandy entstand, rekonstruiert er die Erinnerung an einen früher bewohnten Raum. Ein auditives Element, das Klacken alter Heizkörper, ruft die Atmosphäre des Vergangenen herauf. Auch hier bleibt der Zustand offen: Was bleibt übrig, wenn das Eigentliche verschwunden ist?
Das Zeigen als Kunstakt
„Seit der Etablierung von Readymades vor über 100 Jahren“, so Gompf, „ist das Zeigen selbst ein zentraler Akt der Kunst geworden.“ Die Ausstellung „Zeitstoffe“ führt das konsequent weiter. Vorgefundene Dinge, Alltagsreste und architektonische Spuren lässt sie in neuen Bedeutungszusammenhängen aufscheinen. Die Betrachter sind eingeladen, mitzudenken, sich zu erinnern, zu assoziieren – und Teil des künstlerischen Spiels zu werden.
Öffnungszeiten
Die Galerie Diez befindet sich in der Kirchheimer Straße 85 in Dettingen. Die Ausstellung „Zeitstoffe“ läuft noch bis einschließlich 30. November. Besucherinnen und Besucher können sie samstags und sonntags von 15 bis 18 Uhr besichtigen. Die Finissage findet am Sonntag, 30. November, um 17 Uhr statt.

