Wenn Eduard Mörike dieser Tage durch das Land spazierte – man möchte fast meinen, er würde sich über die eigene Popularität wundern. Der Dichter, dem das große Weltgetümmel stets etwas zu laut erschien, ist 150 Jahre nach seinem Tod mit überraschender Lebendigkeit in der Region präsent. Am 4. Juni 1875 starb Mörike in Stuttgart, doch seine Spuren führen weit über die Residenzstadt hinaus. Vor allem im Kreis Esslingen, wo Mörike als junger Pfarrvikar an sieben verschiedenen Orten wirkte, sind sie tief in die Landschaft eingeschrieben.
Die Mörike-Gesellschaft in Ludwigsburg hat das Jubiläumsjahr zum Anlass genommen, dem Leben und Werk des Schriftstellers vielfältige Würdigung zuteilwerden zu lassen. Auch in Ochsenwang, wo Mörike von 1832 bis 1833 als Pfarrverweser amtierte, hat die literarische Gedenkstätte zu neuem Leben gefunden. „Das Gedenkjahr schlägt Wellen“, freut sich Gisa König, die das Mörikehaus in Ochsenwang leitet. Nach Jahren des Umbaus und pandemiebedingter Schließung sind die Türen wieder weit geöffnet – für Besucher, die nicht nur ein historisches Schulhaus betreten, sondern in ein Kapitel deutscher Literaturgeschichte eintreten möchten. Denn hier, im ersten Stock gegenüber der Kirche, schrieb Mörike an seiner Novelle „Maler Nolten“, die von inneren Abgründen und künstlerischen Sehnsüchten erzählt – nicht unähnlich denen ihres Schöpfers.
Wer tiefer eintauchen möchte in die Lebenswelten Mörikes, dem sei die Exkursion des Schwäbischen Heimatbundes am 5. Juni ans Herz gelegt: Unter dem sinnig gewählten Titel „Sieben Pfarrhäuser, eine große Liebe und die blaue Mauer“ folgt eine Tagesfahrt den Spuren Mörikes durch Bernhausen, Plattenhardt, Grötzingen, Nürtingen, Owen, Ochsenwang – begleitet von Gedichten und Briefen des Dichters. Mit Dr. Nikolaus Back und Irene Ferchl führen zwei ausgewiesene Kenner der schwäbischen Literatur durch die Stationen, an denen Mörikes Geist noch heute zu spüren ist. Die Anmeldung zur Teilnahme ist über den Schwäbischen Heimatbund möglich.
Lesung und Ausstellung
Auch der Herbst verspricht vollmundige Lesefrüchte: Am 4. Oktober stellt der Ludwigsburger Verleger Andreas Hackenberg im Mörikehaus Ochsenwang seinen Debütroman „Mörike, unter anderem ...“ vor – ein gewitzter und zugleich tiefgründiger Blick auf das literarische Erbe des Dichters, verwoben mit den Liebeswirren des fiktiven Mörike-Fans „Edi“. Am 16. November referiert der Theologe und Literaturwissenschaftler Albrecht Esche in der Kirchheimer Stadtbücherei über Mörikes Leben als „poetische Lebensreise“. Und am 28. November öffnet sich im Oberlenninger Schlössle ein besonderes Fenster in die Bildwelt des Dichters: eine Ausstellung mit Scherenschnitten von Ursula Kirchner, die Motive aus Mörikes Werken in zarten Kontrasten und farbigen Collagen zum Leben erweckt.
Wer hätte gedacht, dass ein Pfarrvikar aus dem 19. Jahrhundert ein solch lebendiges Nachwirken entfalten würde? Des Dichters Spuren sind auch 150 Jahre nach seinem Tod sichtbar – in Landschaften, Texten, Erinnerungsorten. Mörikes Werk gehört zum kulturellen Gedächtnis der Region – und weit darüber hinaus.
Eine vollständige Übersicht über die Veranstaltungen zum Gedenkjahr findet man unter www.moerike-gesellschaft.de