Umwelt
Spaziergang zu zwei Wendlinger Naturschutzprojekten

Mit der Rauen Rampe und den Blühflächen der Aktion „Natur nah dran“ hat Wendlingen zwei herausragende Projekte aufzuweisen, die auch landesweit bemerkenswert sind.

Rund 500.000 Euro kostetet die „Raue Rampe“, eine Fischtreppe an der Lauter, die den Fischen hilft, flussaufwärts zu schwimmen. Das Projekt wurde zu 85 Prozent finanziell gefördert. Foto: Carsten Riedl

Die Idee, Grünflächen an Straßen und Plätzen naturnah zu bepflanzen, gibt es in Wendlingen schon seit 2016. Sie anzulegen war ziemlich aufwendig, denn der Boden musste dafür zunächst präpariert werden, wie Bernd Eppinger vom Stadtbauamt im Wendlinger Rathaus den Gästen erläuterte, die sich in Wendlingen zwei Naturschutzprojekte anschauten. Das beeindruckendste Natur-nah-dran-Projekt findet sich auf der kleinen Verkehrsinsel zwischen Pfauhauser Straße und Schwenkgasse. Und anfangs hätten die Wendlinger Autofahrer eher gedacht, die Stadt lege neue Parkplätze an. Heute jedoch komme von den Bürgern viel Lob für die Flächen und der Pflegeaufwand halte sich mittlerweile auch im Rahmen.

Zu dem Spaziergang eingeladen hatten Johannes Enssle, Vorsitzender des NABU Baden-Württemberg, und Andreas Schwarz, Fraktionsvorsitzender der Grünen im baden-württembergischen Landtag. Für den politischen Diskurs hatten die beiden auch Steffen Jäger, Präsident des Gemeindetags Baden-Württemberg, eingeladen. Alois Hafner vertrat Bürgermeister Steffen Weigel.

Bestimmte Bienen fahren auf den Natternkopf voll ab

„Uns Grünen geht es ja darum, die Artenvielfalt in Baden-Württemberg zu erhalten“, sagte Andreas Schwarz, der für die Grünen den Wahlkreis Kirchheim im Landtag vertritt. Bauen, Naturschutz und Artenschutz – da gebe es unterschiedliche Interessen. Wie kann man Naturschutz so hinbekommen, dass er für die Kommunen, für die Stadtentwicklung, für die Bürger und für Natur und Umwelt gut funktioniert? Diese Frage wollte er mit Enssle und Jäger beim Vor-Ort-Termin besprechen.

Während Bernd Eppinger das Prinzip dieser naturnahen Bepflanzung erläuterte, machte sich Martin Klatt, „Natur nah dran“-Projektleiter beim NABU, auf die Pirsch, um zwei Wildbienen von einer leuchtend lila Pflanze abzufangen. Die Pflanze heißt Natternkopf und ist eine heimische Wildpflanze, die die Bienen beinahe magisch anzieht. Und die Bienen, die Klatt eingefangen hatte, sind auch nur am Natternkopf zu finden.

Die Natur-nah-dran-Flächen werden zweimal im Jahr gemäht. „Wir haben zwei Mähgänge im Jahr, für die wir einen Balkenmäher verwenden“, erklärte Eppinger. Die erste Mahd findet Mitte bis Ende Juni statt, und das Mähgut bleibe dann einige Tage liegen, damit die Pflanzen dort aussamen können. Ein tolles Projekt, wie die Besucher fanden.

Steingärten sind in Baden-Württemberg verboten

Umso bedauerlicher findet es Johannes Enssle, dass es immer noch Menschen gibt, die statt eines Naturgartens lieber einen Steingarten anlegen – obwohl dies in Baden-Württemberg verboten ist. Die Rückmeldung, die der NABU aus verschiedenen Bauämtern erhalten hat, wenn sich der Verband nach der Umsetzung dieses Verbots erkundigte, ist ernüchternd: „Die Baurechtsbehörden haben Besseres zu tun, als zu kontrollieren, ob die Bürger Schottergärten angelegt haben.“ Es gebe aber auch Beispiele, in denen Behörden durchgegriffen hätten und Schottergärten zurückgebaut werden mussten.

An der Pfauhauser Straße diskutierten Andreas Schwarz, Johannes Enssle und Steffen Jäger über die Voraussetzungen, die Politik schaffen muss, damit Projekte wie die Blühfläche an Straßenrändern umgesetzt werden können. Foto: Carsten Riedl

Das zweite Projekt, das sich die Gäste erläutern ließen, war die Raue Rampe, eine Fischtreppe, an der Lauter – mit rund 500.000 Euro ein richtig teures Projekt, das Ulrich Scholder vom Stadtbauamt ausführlich erläuterte. So stehe dieses Projekt in einer Reihe von weiteren Maßnahmen, wie dem Umbau des Lauterwehrs in Bodelshofen, dann sei der Abbau des Hechtkopfes an der Mündung des Flusses in den Neckar erfolgt. Ziel sei gewesen, die Lauter für Fische durchgängig zu machen. Die Kosten für die Raue Rampe waren zwar hoch, jedoch gab es Fördergelder in Höhe von 85 Prozent.

Naturschutz-Spaziergang 17.6., Wendlingen: Presse- und Fototermin u. a. mit Grünen-Fraktionschef Schwarz, Gemeindetagspräsident Jäger, NABU-Landeschef Enssle

Zuvor war Alois Hafner, für die CDU im Wendlinger Gemeinderat, auf die politische Entscheidungsfindung zum Bau der Rauen Rampe eingegangen. Denn eigentlich hatte sich das Gremium schon dafür entschieden, das kleine Wasserkraftwerk wieder zu aktivieren, um damit regenerative Energie zu erzeugen. Doch der Wendlinger Fischerverein legte Protest ein. Sie fürchteten um die Fische, die durch das Wasserkraftwerk geschreddert würden. Die CDU ließ sich überzeugen und überzeugte ihrerseits auch die Grünen davon, hier stattdessen eine Raue Rampe zu installieren, die den Fischen beim Schwimmen flussaufwärts hilft. Ein kommunalpolitischer Aushandlungsprozess, wie Gemeindetagspräsident Steffen Jäger beeindruckt feststellte.

Fische brauchen verschiedene Lebensräume

Bernhard Schunske und sein Sohn Robin, zwei Fischer, kamen zufällig vorbei und durften spontan aus ihrer Sicht berichten, wie sie die Raue Rampe finden. „Das alte Wehr hatte den Effekt, dass die Fische sich dort gesammelt hatten und nicht weiter konnten. Für die Angler gut, für die Fische nicht so gut“, sagte Robin Schunske. Die Raue Rampe sei gar nicht schlecht, finden die beiden Fischer, wenn sie nun auch nicht mehr so leicht Beute machen können.

Johannes Reiss, Geschäftsführer des Wendlinger Büros „Am Fluss“, erläuterte, warum die Raue Rampe für die Fische so wichtig ist. Die Tiere suchen nämlich Lebensräume, an denen sie sich fortpflanzen können – oder um sich im Winter auszuruhen. Jungfische brauchen eher flache Ufer mit wenig Strömung. Diese Bedingungen fehlen jedoch an vielen Flüssen im Land. Im Falle eines Hochwassers hielte die Rampe das Wasser nicht zurück, sagte Johannes Reiss. Denn die Ufer seien befestigt. Er wies auch darauf hin, dass fehlende Beschattung an kleineren Gewässern in Zeiten des Klimawandels dazu führe, dass das Wasser sich aufheizt. „Das Wasser wird so warm, dass Fischarten wie Forelle und Äsche hier nicht mehr existieren können“, sagte Reiss.

Die Gäste zeigten sich insgesamt beeindruckt von den Wendlinger Projekten und den Wegen, die die Stadt gegangen ist, um diese Projekte zu realisieren.

Foto: Carsten Riedl