Umwelt
Standortsuche für neue Erddeponie ist vom Tisch

Die Krise der Bauwirtschaft hinterlässt Spuren: Es fällt deutlich weniger Aushub an. Der Landkreis Esslingen stellt daher die Suche nach einem neuen Deponiestandort ein. 

Die Suche nach einem Standort für eine neue Erd- und Bauschuttdeponie im Kreisgebiet ist vorerst vom Tisch.  Archivfoto: Jean-Luc Jacques

Die anhaltende Krise des Baugewerbes bekommt der Abfallwirtschaftsbetrieb (AWB) des Landkreises Esslingen zu spüren: Im vergangenen Jahr wurden lediglich 69. 557 Tonnen unbelasteter Bodenaushub zur Lagerung auf die drei Erddeponien des Kreises angeliefert – das sind 247.439 Tonnen weniger als 2022, ein Rückgang von 78,1 Prozent. Geplant war die Entsorgung von 174.000 Tonnen Material. Und das wirkt sich aus: Die Suche nach einem Standort für eine neue Erd- und Bauschuttdeponie im Kreisgebiet ist laut dem Esslinger AWB-Chef Michael Potthast vorerst vom Tisch.

Sie wurde im März 2022 gestartet, weil sich die Lagerflächen auf den drei Erddeponien „Weißer Stein“ auf dem Schurwald bei Plochingen, „Blumentobel“ im Tiefenbachtal bei Beuren und „Gründener Wasen“ am Fuß der Schwäbischen Alb bei Weilheim dem Ende zuneigen. Die Kapazitäten dort, so stimmte der frühere AWB-Geschäftsführer Manfred Kopp die Kreisräte vor zwei Jahren noch auf einen langwierigen Suchlauf ein, würden keine zehn Jahre mehr reichen. Um die Entsorgungssicherheit zu gewährleisten, müsse der Kreis Esslingen einen Standort für ein Ablagerungsvolumen von etwa 3,5 Millionen Kubikmetern finden, hieß es damals.

Den Angaben des AWB zufolge ist die Deponie Blumentobel, die für 2,7 Millionen Kubikmeter angelegt ist, zu über 80 Prozent aufgefüllt. Von den 6,5 Millionen Kubikmetern auf dem „Weißen Stein“ stünden noch 1,3 Millionen Kubikmeter zur Verfügung. Die Lagerkapazität des „Gründener Wasen“ liege bei 770.000 Kubikmeter, davon seien noch gut 200.000 Kubikmeter frei.

Kopps Nachfolger Michael Potthast sieht derzeit jedoch keinen Handlungsbedarf. Denn: Die stark rückläufige Anliefermenge führe dazu, „dass sich die vorhandenen Restkapazitäten der bestehenden Deponien verlängert haben“. Wie lange es dauern wird, bis diese endgültig erschöpft sind, ließe sich allerdings nicht vorhersagen, räumt Potthast ein. Das sei stark abhängig von der Baukonjunktur.

Die Einleitung des erforderlichen Raumordnungsverfahrens für die Schaffung einer oberirdischen Bauschuttdeponie ist laut Potthast beim Stuttgarter Regierungspräsidium noch nicht beantragt worden. „Es wurde bis jetzt lediglich eine Voranfrage bei der Behörde gestellt.“ Doch das Planungsverfahren sei wegen der neuen Entwicklung ausgesetzt worden. „Für den Landkreis Esslingen gibt es daher zurzeit keine vertieften Bestrebungen, eine Erd- und Bauschuttdeponie der Klasse 0 zu errichten“, informiert der AWB-Chef.

Unbelastetes Material muss wiederverwertet werden

Esslingen ist nicht der einzige Landkreis, der erst einmal alles so belässt, wie es ist. Grund dafür ist auch eine Änderung der Deponieverordnung: Seit 1. Januar dieses Jahres muss der Boden, der auf Baustellen ausgehoben wird und nicht verunreinigt ist, an anderer Stelle wiederverwertet werden. Deponien dürfen unbelastetes Baumaterial wie Erde, Kies, Sand, Ton und Steine nur noch in Ausnahmefällen annehmen – „wenn die Verwertung technisch nicht möglich oder wirtschaftlich unzumutbar ist“, informierte der Landkreistag in einem Rundschreiben seine Mitglieder. Das trifft in der Regel jedoch nur auf kleine Mengen beim privaten Haus- und Umbau zu.

Durch diese Beschränkung ist nach Einschätzung des Landkreistages mit einem deutlich sinkenden Bedarf an Deponiekapazitäten zu rechnen. Nach Potthasts Ansicht wird es jedoch immer wieder Bau- und Abbruchabfälle geben, die nicht recycelt werden können und dementsprechend gelagert werden müssen. „Daher werden Deponien der Klasse 0 auch weiterhin im Landkreis Esslingen benötigt.“

Für stärker verunreinigten Erdaushub und mineralische Abfälle gilt das umso mehr. Belastetes Material muss in speziellen Deponien abgelagert werden. Dafür konnten bisher die Deponien der Abfallverwertungsgesellschaft des Landkreises Ludwigsburg (AVL) genutzt werden. Dies wird in Zukunft jedoch nicht mehr möglich sein, teilt der laut Gesetz für die Entsorgung zuständige Verband Region Stuttgart mit. Der seit Juni 2000 gültige Vertrag läuft nur noch bis Ende des Jahres. Er könnte zwar nochmals verlängert werden, doch die Kapazitäten reichen bald nicht mehr aus. Daher ist der Verband nun auf der Suche nach einem Standort für eine Deponie der Schadstoffklasse 1 – wobei alle Landkreise in den Blick genommen werden.

Online-Bürgerbeteiligung

Zur Auswahl potenzieller Standorte wurde eine Online-Bürgerbeteiligung gestartet, die noch bis Freitag, 28. Juni, läuft. Sie ist der zweite Schritt eines mehrstufigen Verfahrens. Zuvor hatten bereits Vertreter aus unterschiedlichen Verbänden, Umwelt- und Naturschutzorganisationen und weiteren Interessensgruppen mögliche Kriterien und Zielkonflikte erarbeitet. Der dritte Verfahrensschritt bildet das Bürgerforum. Dieses soll nach den Sommerferien stattfinden.

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Tausend Tonnen unbelasteter ­Bodenaushub wurden vergangenes Jahr auf den drei Erddeponien des Landkreises angeliefert – das sind 247.439 Tonnen weniger als 2022, ein Rückgang von 78,1 Prozent.