Naturschutz
Streit um den Steinbruch Aichelberg

Die Recherchen zum ehemaligen Steinbruch Aichelberg haben viel Staub aufgewirbelt. Alle bekennen sich zum Biotop, doch der Erhalt könnte trotzdem scheitern.

Vertreter des Nabu, darunter Johannes Enssle, Landesvorsitzender des Nabu Baden-Württemberg (3. von re.), erkundigten sich vor Ort. Foto: pr

Am Anfang stand eine Pressemitteilung der Nabu-Kreisverbände Esslingen und Göppingen. Der Umweltverband schlug Alarm, weil er einen Verlust des Biotops im ehemaligen Steinbruch Aichelberg befürchtete. Weil ein einvernehmlicher Verkauf bisher nicht möglich war, gelangte das gut 6800 Quadratmeter große Grundstück in die gerichtliche Zwangsversteigerung. Sie hatte das Amtsgericht Göppingen auf den 27. Juni angesetzt. Inzwischen wurde die Versteigerung aufgehoben. Vor dem Termin, so eine Richterin am Amtsgericht auf Nachfrage, müsse ein Altlastengutachten eingeholt werden. Nur so sei endgültig zu klären, ob auf sich auf dem Grundstück etwa Bodenverunreinigungen, befinden.

20 Anfragen gingen ein

Kurz nach der Veröffentlichung des Versteigerungstermins gingen beim Amtsgericht, den Eigentümern Monika Hepperle und ihrem Bruder Fred Kirschmann und sogar beim Nabu mehr als 20 Anfragen ein. Es wurden die wildeste Pläne für das Gelände präsentiert, darunter die Einrichtung eines Oldtimermuseums. So manches, was Monika Hepperle erzählt bekam, beschreibt sie mit „Märchenstunde hoch fünf“. Um weitere neugierige Schnäppchenjäger abzuhalten, ist der Eingang des Geländes aktuell mit einer blickdichten grünen Plane zugehängt, ein Schild verbietet das Betreten und Fotografieren, unter Androhung einer Anzeige. Das bisherige Geschehen erklärt zumindest teilweise, warum der Reporter des Teckboten bei einem Besichtigungsversuch vertrieben wurde.

Unter allen Interessenten an der Zwangsversteigerung sei nur ein einziger gewesen, dem wie ihr offensichtlich der Naturschutz am Herzen liege, berichtet Monika Hepperle. Drei Jahre lang habe sie sich dafür eingesetzt, dass die Kreisstraße von Holzmaden nach Aichelberg nicht weiter zum jährlichen Erdkrötenfriedhof wird. Monika Hepperle würde die Garagen am Eingang des Steinbruch-Geländes gerne weiterhin für landwirtschaftliche Fahrzeuge nutzen und den Rest – dort hat sich aus Grundwasser und Regen ein etwa 35 mal 15 Meter großer See gebildet – dem Naturschutz überlassen. Exakt dieselbe Idee hatte auch ein Vertreter der Nabu-Gruppe Teck. Beide befürchten jedoch eine mögliche Auffüllung des Geländes.

Diese könnte sich für ein Unternehmen finanziell durchaus rechnen. Die Preise für Deponieraum sind in den vergangenen Jahren massiv gestiegen. Für unbelasteten Bodenaushub erhebt der Abfallwirtschaftsbetrieb Esslingen seit 1. Januar 2024 eine Gebühr von 14,50 Euro pro angefangenem Kubikmeter, für rein mineralischen Bauschutt ohne Fremdstoffe der Deponieklasse 0 sind es 20 Euro. Bei belastetem Material vervielfachen sich die Gebühren. Dem steht ein angesetzter Verkehrswert des Grundstücks von lediglich 79.000 Euro entgegen, bei einer Zwangsversteigerung wäre ein Zuschlag bereits ab dem halben Verkehrswert möglich.

 

Nach unserer Auffassung wäre es wünschenswert, den Steinbruch als Biotop zu erhalten.
Bürgermeisterin Heike Schwarz

 

Auch die Gemeinde Aichelberg spricht sich ausdrücklich für einen Erhalt des Biotops aus. Dass der Steinbruch ein wichtiger Lebensraum für viele Amphibien, Insekten und Vögel sei, sei allgemein bekannt, sagt Bürgermeisterin Heike Schwarz. „Nach unserer Auffassung wäre es wünschenswert, den Steinbruch als Biotop zu erhalten.“

Ebenso verweist Simon Gottowik, Sprecher des Landratsamts Göppingen, auf die natürliche Entwicklung, die der ehemalige Steinbruch auf Gemarkung Aichelberg in drei Jahrzehnten durchlaufen hat. Aus Sicht der Unteren Naturschutzbehörde könne von einer „naturschutzfachlichen Bedeutung der Flächen“ ausgegangen werden.

Es bleibt der Hinweis in der Kurzbeschreibung des Amtsgerichts: „Grundsätzlich ist das abgegrabene Flurstück wieder aufzufüllen.“ Doch folgt dort sogleich die Einschränkung: „Der Zustand ist jedoch seit zirka 1993 weitgehend unverändert. Mittlerweile hat sich am Teich ein Biotop eingestellt, was vermutlich aus Naturschutzgründen erhaltenswert sein könnte.“

„Trotz potenzieller rechtlicher Verpflichtung zur Auffüllung haben wir uns bewusst gegen ein Auffüllen des Steinbruchs entschieden“, teilt Fred Kirschmann, der zweite Eigentümer, mit. „Es ist uns ein Herzenswunsch, den Steinbruch in seiner jetzigen Form als Ganzes zu bewahren – allerdings weiterhin in Familienhand. Das Gelände befindet sich seit Jahrzehnten in Familienhänden und wird von uns wohl behütet.“

Alle Befragten bekennen sich also ohne Ausnahme zum Erhalt des Biotops, keiner plädiert für eine Auffüllung des Steinbruchs. Es gibt aber unterschiedliche Vorstellungen zur Eigentümerschaft. Kommt es deshalb zur „gerichtlichen Zwangsversteigerung zur Aufhebung der Gemeinschaft“, ist deren Ausgang offen – der Meistbietende muss eben kein Naturschützer sein. Wem das wie stark anzulasten wäre, ist von außen kaum neutral zu beurteilen – Schilderungen und Eindrücke unterscheiden sich teils sehr deutlich.

 

Lebensraum für
schützenswerte Arten

Der Schiefersteinbruch wurde bis vor rund 30 Jahren genutzt, seitdem blieb er zu großen Teilen der Natur überlassen. Nach Ansicht des Nabu gibt es in der Region kein vergleichbares Habitat. Der Steinbruch hat sich in den vergangenen 30 Jahren zu einem Rückzugs- und Laichgebiet für viele schützenswerte und bedrohte Amphibien, Insekten und Vogelarten entwickelt. Es gibt eine sehr große Population von Erdkröten. Auch Vorkommen des bedrohten Kammmolchs werden vermutet. Lebensraum ist der auf Gemarkung Aichelberg unweit von Holzmaden gelegene Steinbruch für den seltenen Feldschwirl, für Gartengrasmücke, Dorngrasmücke und Mönchsgrasmücke. Laut Nabu wird von zwölf Libellenarten ausgegangen. Bedeutend seien insbesondere die Vorkommen des Südlichen Blaupfeils, der Frühen Heidelibelle und der Sumpflibelle.

Der Nabu wirbt nicht alleine für das biologische Juwel, er weiß auch den Landesnaturschutzverband (LNV), BUND sowie die beiden lokalen Vereine „Vogelschutz und Naturverein Holzmaden“ (VSN) und „Initiative Bodenschutz und Biodiversität Kirchheim“ (IBBD) an seiner Seite. Der Nabu hatte überlegt, bei der nun aufgehobenen Versteigerung mitzubieten – um zu verhindern, dass jemand den Zuschlag erhält, der das Gelände des Steinbruchs auffüllen will, und er kündigte eine Spendenaktion „Rettet den Steinbruch“ an.