Aufreger
Wenn die Müllabfuhr alles vermischt

Bio- und Restmüll werden separat gesammelt – und landen dann zusammen in einem Fahrzeug. So offenbar geschehen in Hohengehren.

Plastik hat im Biomüll nichts verloren. Foto: Jürgen Holzwarth

Er macht seinem Ärger Luft: „Eine Riesensauerei“ sei das, kommentiert ein Bewohner des Baltmannsweiler Ortsteils Hohengehren das, was er vor wenigen Wochen in seiner Wohnstraße mit der Handykamera gefilmt hat: Die Müllabfuhr fährt heran, ein Mitarbeiter greift routiniert die beiden Tonnen und hängt sie am Heck des Fahrzeugs ein – links die braune für Biomüll, rechts die graue für Restmüll. Fast synchron entleert sich der Inhalt der beiden Behälter im Bauch des Laders, danach stellt sie der Mitarbeiter eilig zurück.

Der Anwohner (Name der Redaktion bekannt) ist irritiert, denn eigentlich hätte das Fahrzeug nur den Bioabfall einsammeln sollen. Hier aber wurde der Hausmüll gleich mit entsorgt. „Es lebe das umweltfreundliche Mülltrennen“, sagt er ironisch. Es blieb kein Einzelfall: Gleich zwei Mal – erst im August und dann im September – habe er beobachtet, wie die Müllabfuhr in Hohengehren beide Tonnen zusammen in ein Fahrzeug kippte, erzählt er. Und nein, er glaube nicht, dass die Mitarbeiter damals nur einen schlechten Tag gehabt hätten oder sich die Arbeit einfach etwas leichter machen wollten. Vielmehr vermute er, dass hinter dieser Gepflogenheit volle Absicht stecken könnte: Nämlich die, dass sich das Entsorgungsunternehmen auf diese Weise ein paar Touren ersparen wollte. Ganz von der Hand zu weisen ist dieser Verdacht wohl nicht. Auch der Abfallwirtschaftsbetrieb (AWB) des Landkreises Esslingen weiß nach Aussage seines Geschäftsführers Michael Potthast, dass es gelegentlich zur Vermischung von Restmüll und Biomüll kommt: „Uns sind in diesem Jahr bislang fünf Fälle bekannt.“ Im Vorjahr, räumt der AWB-Chef offen ein, habe es sogar mehr Fälle gegeben. Er fügt aber zugleich hinzu: „Durch Gespräche mit den Vertragspartnern konnte die Zahl reduziert werden.“

Ein Anwohner hat mit seinem Handy dokumentiert, wie beide Tonnen gleichzeitig in ein Auto geleert werden. Foto: pr

Zwei Firmen im Auftrag verantwortlich

Für die Leerung von Bio- und Restmüll sind im Kreis Esslingen zwei Unternehmen zuständig, die im Auftrag des AWB unterwegs sind. In der Regel werden die beiden Abfallarten mit unterschiedlichen Fahrzeugen eingesammelt und einer eigenen Entsorgung zugeführt: Biomüll kommt ins Kompostwerk Kirchheim, wo er zu Qualitätskompost verarbeitet wird. Der Restmüll wird in den Heizkraftwerken in Stuttgart und Böblingen verbrannt. Die Trennung ist laut Potthast sinnvoll. Denn Biomüll im Restmüll ist eine verlorene Wertstoffressource. Und wenn mehr Abfall in der Verbrennungsanlage angeliefert wird, bedeutet das Mehrkosten für den AWB. Restmüll im Biomüll wiederum ist problematisch: Plastik und andere Störstoffe können nicht zu Kompost verarbeitet werden. In diesem Jahr hat es diesbezüglich „keine Auffälligkeiten“ im Kirchheimer Werk gegeben, berichtet der Chef der kreiseigenen Abfallwirtschaft und ergänzt: „Sollte Biomüll im großen Stil durch Restmüll verunreinigt werden, wie es im vergangenen Jahr der Fall war, wird diese vermischte Anlieferung im Kompostwerk separiert und vom anliefernden Abfuhrunternehmen auf dessen Kosten ins Restmüllheizkraftwerk gebracht.“ Wie viel Biomüll wiederum im Hausmüll landet, lässt sich nicht einschätzen. „In einem Fahrzeug, in das 500 bis 700 Restmüllgefäße geladen werden, fällt der Inhalt einzelner Biotonnen nicht auf“, sagt Potthast.

Bürger beschweren sich

Von der „Schummelei“ der beauftragten Dienstleister erfährt der AWB im Regelfall durch die Bürger. „Diese Mitteilungen“, betont der Geschäftsführer, „werden sehr ernst genommen. Jeder Meldung wird nachgegangen.“ Das ist möglich, weil alle Müllautos über ein GPS-System verfügen müssen. „So kann nachvollzogen werden, welches Fahrzeug sich wann, wo und wie lange aufgehalten hat“, erläutert Potthast. Doch Tracker können ausfallen, und wenn kurzfristig ein Ersatzfahrzeug organisiert werden müsse, könnte dieses oftmals auf die Schnelle nicht mit der Technik ausgestattet werden. „In diesen Fällen ist eine Nachverfolgung dann nicht möglich.“

Der AWB-Chef sagt klipp und klar: „Die Vermischung von Abfällen ist kein Kavaliersdelikt.“ Der Vertrag sehe daher recht hohe finanzielle Strafen vor.