Politik
Wie die AfD auf der Mahnwache mit Rechtsextremisten kuschelte

Das rechtsextremistische Magazin Compact und die Jugendorganisation Junge Alternative haben die AfD-Mahnwache in Hochdorf am vergangenen Sonntag ebenfalls als Bühne genutzt. AfD-Politiker hatten damit offenkundig kein Problem.

Ein Teilnehmer der AfD-Mahnwache stimmt schon mal mit den Füßen ab. Archivfoto: Carsten Riedl

In Nürtingen hat die Stadt ein Aufenthaltsverbot gegen ihn verhängt, als er beim sogenannte Schwabenkongress der rechtsextremen Reconquista 21 gemeinsam mit dem bekannten österreichischen Rechtsextremisten Martin Sellner als Redner auftreten sollte.Bei der AfD-Mahnwache in Hochdorf am vergangenen Sonntag stolzierte er hingegen ungehindert vor laufender Kamera auf und ab, interviewte AfD-Politiker und machte sich über die Kundgebung der Antifa lustig. Die Rede ist von Paul Klemm, Compact TV-Moderator und Mitglied der ultrarechten Identitären Bewegung. Das Video ist auf der Homepage von Compact zu sehen.

Die Zeitschrift Compact gilt als Sprachrohr der rechten Szene und wird vom Verfassungsschutz seit 2021 als gesichert rechtsextremistisch eingestuft. Innenministerin Nancy Faeser hatte im Juli ein Verbot der Zeitschrift verfügt und gesagt, Compact hetze „auf unsägliche Weise gegen Jüdinnen und Juden, gegen Menschen mit Migrationsgeschichte und gegen unsere parlamentarische Demokratie“. Das Verbot währte allerdings nicht lange: Die Herausgeber klagten, daraufhin setzte das Bundesverwaltungsgericht den Sofortvollzug des Verbots teilweise aus. Eine endgültige Entscheidung wird 2025 erwartet. 

Gegendemonstration zur AfD-Mahnwache in Hochdorf. Archivfoto: Carsten Riedl

Die Mahnwache war von der AfD veranstaltet worden, mit der Begründung, man wolle dem getöteten 56-Jährigen gedenken, der Mitte November Opfer eines afghanischen Asylbewerbers geworden war. Bei zwei Gegendemonstrationen hatten Hochdorfer und Antifaschisten unter anderem gegen die Instrumentalisierung des Verbrechens durch die AfD protestiert.

Auch die Junge Alternative, die als gesichert rechtsextremistisch eingestufte Jugendorganisation der AfD, war bei der Mahnwache mit mehreren Mitgliedern vertreten. Arthur Hammerschmidt, Tübinger Jura-Student und stellvertretender Landessprecher der Jungen Alternative (JA) Baden-Württemberg, war unter den Gästen und ließ sich bei der Mahnwache zusammen mit AfD-Politikern vor einem Banner fotografieren, auf dem stand: „Neue Normalität: Messermänner – nicht mit uns!“ Dekoriert war es mit einem großen Blutfleck. 

Interessant ist die Anwesenheit von Vertretern der Jungen Alternative und des Magazins Compact nicht nur deshalb, weil es das Mahnwache-Narrativ der AfD, nachdem man hauptsächlich dem Toten habe gedenken wollen, endgültig ad absurdum führt. Sie macht vor allem überdeutlich, wie wenig ernst es der AfD mit der Distanzierung von rechtsextremistischen Organisationen wie der JA oder offen verfassungsfeindlichen Medien wie dem Compact-Magazin ist. In den vergangenen Tagen hatte die AfD selbst eine Trennung von ihrer Jugendorganisation ins Gespräch gebracht. 

Bei der Mahnwache hat die AfD unter anderem einen Kranz niedergelegt. Archivfoto: Carsten Riedl

Der AfD-Bundestagsabgeordnete Volker Münz lässt sich im Gespräch mit Compact-Moderator Paul Klemm beispielsweise zu der Aussage hinreißen, der Täter sei in der Flüchtlingsunterkunft in Hochdorf abgewiesen worden, sei dann wutentbrannt die Straße runtergelaufen und habe den „nächstbesten, der ihm über den Weg lief, umgebracht“. Diese Behauptung zum Motiv des Täters ist frei erfunden und suggeriert, dass es sich bei der Tötung um eine Art Amoklauf gehandelt habe. Aber das kümmert weder Münz, noch den Moderator, weil sie genau das schürt, worauf die AfD sich gründet und womit auch das Compact-Magazin sein Geld verdient: Angst. Auf der Homepage des Mediums wird regelmäßig auf das Buch „Freie Waffen für den Eigenschutz“ verwiesen, das sich im Magazin-eigenen Shop käuflich erwerben lässt.

Auch der AfD-Landtagsabgeordnete Hans-Jürgen Goßner darf vor der Kamera noch einmal die Geschichte vom „grundlos zu Tode gebrachten“ Opfer wiederholen, schränkt aber immerhin ein, so sei es „vermutlich oder vermeintlich, oder zumindest drängt es sich mir so auf“ gewesen. Stadtrat Markus Berthold äußert sich wie gewohnt etwas differenzierter und erklärt, warum die Politik in ihrem Umgang mit den Geflüchteten aus seiner Sicht versagt hat. Tatsache ist jedoch: Keiner der drei Politiker lehnt das Interview mit dem bekannten Rechtsextremisten Paul Klemm ab. 

Warum der 56-jährige in Hochdorf lebende Mann sterben musste, dazu gibt es nach wie vor keine gesicherten Erkenntnisse. Dass der Täter ein afghanischer Asylbewerber ist, der einmal in der Flüchtlingsunterkunft in Hochdorf gelebt hat, aufgrund von Streitigkeiten jedoch nach Wernau verlegt wurde, gilt mittlerweile als sicher. Die Polizei lehnt eine Stellungnahme mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen ab. Der Prozess, der hoffentlich Licht ins Dunkel bringen wird, findet im kommenden Jahr statt.