Manchmal löst auch ein leeres Essenstablett Freude bei Markus van der Lee und seinem Team aus. Dann, wenn der Patient auf der Serviette oder der typischen Krankenhaus-Essenskarte ein Lob für die Küche hinterlassen hat „Auf einer Karte stand sogar mal ein Gedicht“, sagt der 43-jährige Chef der Klinikgastronomie in Nürtingen. Häufiger allerdings wird über das schlechte Essen in
Die Nachfrage nach veganen oder vegetarischen Speisen hat zugenommen.
Markus von der Lee, Küchenchef
den Kliniken lamentiert, nicht nur in Nürtingen. „Ich nehme das nicht persönlich, da hat man sich schon daran gewöhnt“, sagt van der Lee. Der gelernte Koch hat durchaus Verständnis dafür: „Den Patienten geht es ja auch in der Klinik meist nicht gut.“ Der dreigeteilte Teller sei sicherlich auch nicht optimal. „Wenn dasselbe Essen in der Cafeteria auf einem normalen Teller serviert wird, schmeckt es den meisten“, sagt der Koch.
Eigentlich wird ja in Nürtingen gar nicht gekocht. Das übernehmen René Durand und sein Team in der Medius-Klinik in Kirchheim. Rund 30 große Behälter werden täglich fürs Mittagessen nach Nürtingen geliefert. Diese werden von einem Lastwagen transportiert, der über eine eigene Stromversorgung verfügt, damit Nudel, Fleisch, Gemüse und Co. auch mit der passenden Temperatur im Untergeschoss der Nürtinger Medius-Klinik ankommen. Die Küche in Nürtingen umfasst laut Kliniksprecher Max Pradler insgesamt eine Fläche von 406 Quadratmeter. Dazu gehören auch Lager- und Spülräume.
Kaum ein Mittagessen ist gleich
An diesem Tag stehen unter anderem Pfannengyros mit Tomatenreis und Tsatsiki, eine Thüringer Rostbratwurst mit Salzkartoffeln und eine Ofenkartoffel auf dem Speiseplan. Gegen 10.40 Uhr stehen neun Frauen und ein Mann mit Schöpfkellen neben einem Förderband. Rund eine Stunde haben sie Zeit, um 370 Essen zu portionieren. Doch kaum ein Mittagessen ist gleich. Was genau jeder Patient auf den Teller bekommt, steht auf einer Karte, die samt Besteck und Serviette zuerst auf ein Tablett gelegt wird. Wer welches Essen erhält, ist zuvor auf den einzelnen Stationen abgefragt worden, die Bestellung wird dann an die Küche gemeldet. Jeder Handgriff sitzt. Wenn irgendetwas nicht passt, wird das Förderband kurz gestoppt. Am Ende des Förderbands steht van der Lees Stellvertreterin, Jennifer Diana Ruhland. Sie kontrolliert jedes einzelne Essen, bevor dann ein weiterer Mitarbeiter die bereitstehenden Essenswagen bestückt. Kleine dreieckige Hütchen auf dem Förderband zeigen: Achtung, hier kommt eine neue Station. Diese Teller müssen dann in einen anderen Wagen gepackt werden.
Markus van der Lee hat seine Kochausbildung bei den Technischen Werken in Stuttgart absolviert. Das Energieunternehmen wurde Ende 1996 aufgelöst. Seinen Zivildienst leistete er anschließend in der Medius-Klinik in Ruit ab. „Ich bin dann gleich da geblieben“, sagt van der Lee. Erst sei er für die Cafeteria verantwortlich gewesen, danach stellvertretender Küchenleiter in Ruit geworden. Vor sechs Jahren folgte dann der Wechsel nach Nürtingen als Chef der dortigen Klinikgastronomie. Von einem eigenen Restaurant träumt Markus van der Lee schon lang nicht mehr. Er schätzt die verlässlichen Arbeitszeiten und ist froh, dass es ihm nicht wie einem Bekannten aus der Gastronomie geht. Dessen Tochter habe sich zur Konfirmation nichts sehnlicher gewünscht, als dass der Papa einmal bei einem Fest dabei ist, erzählt van der Lee.
Arbeit im Ein-Schicht-Betrieb
Dafür beginnt sein Arbeitstag schon früh um 6 Uhr. Feierabend ist dafür aber schon in der Regel kurz vor 15 Uhr. Frühstück und Abendbrot sowie Salat werden in Nürtingen selbst zubereitet. Insgesamt werden täglich 1110 Mahlzeiten in der Klinikküche für die Patienten angerichtet. Hinzu kommen täglich 250 Essen in der Cafeteria. Gearbeitet wird im Ein-Schicht-Betrieb. So beginnt eben die Zubereitung des Abendessens um 13.40 Uhr. Die Essenswagen kommen anschließend in den Kühlraum, bevor sie dann am frühen Abend vom Transportdienst auf die einzelnen Stationen gebracht werden. In den Kühlraum wird es am Abend auch zurückgebracht.
Bevor am nächsten Morgen das Frühstück zubereitet wird, muss erst mal gespült werden. Insgesamt sind 33 Mitarbeiter im Küchenteam tätig, acht davon in der Cafeteria. Die Frauen sind in der deutlichen Überzahl. „Mit mir sind es drei Männer“, sagt van der Lee lachend. Der Organisator weiß genau, dass es nur im Team geht: „Das ist wie beim Kapitän eines Kreuzfahrtschiffes. Ohne Mitstreiter würde das Schiff gar nicht erst ablegen.“ Und in der Kombüse der Klinik werden viele Lebensmittel verarbeitet. „Tafelbrötchen sind es ungefähr 80.000 Stück pro Jahr“, sagt der Koch. 3276 Kilogramm Käse werden pro Jahr verzehrt, und auch beim Blattsalat sind rund 3276 Kilogramm eine durchaus stolze Zahl.
Alle sechs Wochen wiederholt sich der Speiseplan, doch kaum ein Patient ist so lang im Krankenhaus. Es gebe aber jahreszeitlich unterschiedliche Pläne, sagt van der Lee. Zweimal in der Woche wird Fisch kredenzt. „Die Nachfrage nach veganen oder vegetarischen Speisen hat zugenommen“, sagt van der Lee. Besonders beliebt seien bei den Patienten immer noch „Linsen mit Spätzle und Saitenwürstchen sowie Spaghetti Bolognese“.
„Gruß aus der Küche“
Sieben Tage in der Woche, 365 Tage im Jahr: Das Küchenteam in Nürtingen stellt eine Rundumversorgung sicher. Dass es nicht immer jedem schmeckt, liegt da wohl in der Natur der Sache. Doch Dauernörglern stattet van der Lee auch mal einen Besuch auf der Station ab. Im direkten Gespräch und „mit einem Gruß aus der Küche“ könne man doch vieles klären, sagt der Leiter der Klinikgastronomie.