Lenningen. „Es kommt nicht so oft vor, dass eine Gemeinde eigene Weichen stellen kann. In der Regel müssen wir reagieren“, sagte Lenningens Bürgermeister Michael Schlecht und erinnerte beispielhaft an das von Europa bestimmte Vogelschutzgebiet, die vom Bund vorgegebene Kleinkindbetreung und den vom Land init
iierten Orientierungsplan. „Jetzt ist aber solch ein Zeitpunkt, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen und mehr gestalten zu können,
ohne selbst das ganz große Rad drehen zu müssen“, sagte er weiter.
Nicht
öffentlich hatte sich das Gremium schon mehrfach mit der Zukunft von Lenningens Stromversorgung befasst, denn zum 31. Dezember 2012 läuft der Stromkonzessionsvertrag mit der EnBW Regional AG aus. Die Karten können also neu gemischt werden und diese Chance packt Lenningen nun beim Schopfe.
Das Alb-Elektrikzitätswerk Geislingen-Steige ist kein Unbekannter in Lenningen. Vor Jahren hatte das Unternehmen den Teilort Schopfloch von der EVS übernommen und liefert seitdem Strom dorthin. Es gab erste Gespräche, die nun zu dem Entschluss für die gemeinsame GmbH geführt haben. „Wir wollten eine bedarfsgerechte Lösung für Lenningen“, begründet Michael Schlecht den Schritt. Das soll nicht allein der Bezug von Strom sein, sondern dazu zählt beispielsweise auch Energie- und Gebäudemanagement und eine „eigene kommunale Miteigentümerschaft am Stromnetz“. Das Modell biete eine angemessene Einflussmöglichkeit und die Chance, in Energieerzeugung und -vertrieb einzusteigen. „Wir können in einem partnerbetriebenen Werk ein gewichtiges Wort mitreden, mitgestalten – sind eben nicht nur Konzessionäre“, nannte der Schultes weitere Vorteile. Die Überlegungen gehen sogar so weit, die Arbeitsfelder auf Straßenbeleuchtung, Breitbandversorgung, Blockheizkraftwerk und gar Wasser- und Abwasserversorgung auszuweiten. Michael Schlecht ist ferner davon überzeugt, dass auch der Verwaltungshaushalt künftig besser dastehen wird, zumal das Albwerk als kompetenter und verlässlicher Partner bekannt ist.
Das Albwerk besteht seit 100 Jahren und hatte im vergangenen Jahr einen Umsatz von knapp 174 Millionen Euro. Hubert Rinklin, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Albwerks, stellte das Konzept vor. „Lenningen hat am Anfang ein minimales Risiko“, sagte er. So muss die Kommune nur mit zehn Prozent der Anteile in das Modell einsteigen und kann den „Einsatz“ im Lauf der Jahre auf maximal 49,9 Prozent steigern. Sollte es einen Gewinn geben, ist die Gemeinde prozentual daran beteiligt. Von Anfang an ist Lenningen mit einem Vertreter Mitglied in der Unternehmensleitung. Weiterhin enthält der Vertrag zwei Optionen. Sollte der Schuh für Lenningen zu groß werden, besteht im Jahr 2013 die Möglichkeit, aus dem Vertrag auszusteigen, ebenso nochmals 2017. Eine Rolle spielt dabei die große Unbekannte „Netzbewertung“. Das Vertragswerk ist schon so weit gediehen, dass es von einem Anwalt für Lenningen geprüft werden kann.
„Nachteile haben wir keine gefunden“, sagte Hubert Rinklin. Dafür zählte er die Vorteile für Lenningen auf: Mitsprache, Gewinnbeteiligung, keine sofortige Entscheidung, der Risikozuwachs ist zeitlich gestreckt, die Hauptlast der Gründung trägt das Albwerk, ebenso die Regelung der Finanzierung. Somit ist Lenningen in der Warte- und Beobachtungsposition. „Nicht zuletzt ist das Albwerk ein erfahrener Partner“, warb er in eigener Sache.
„Wir versprechen uns mit der Energieversorgungsgesellschaft einen Mehrwert für die Bürger“, nennt Michael Schlecht als Grund für diesen völlig neuen und im Vorfeld arbeitsintensiven Schritt. Wichtig ist dem Gemeinderat dabei auch die Versorgungssicherheit der Bürger. Die leidvolle Erfahrung mit der Breitbandversorgung – auf die wartet Lenningen weiterhin – wollen die Räte kein zweites Mal erleben. Somit entschieden sie sich einstimmig für die Gründung einer gemeinsamen Energieversorgungsgesellschaft mit dem Alb-Elektrizitätswerk Geislingen-Steige.
Bislang lautet der Arbeitstitel für die neue Gesellschaft „Energieversorgung Lenningen GmbH“. Der Schultes erhofft sich dadurch auch eine Identifikation der Bürger mit „ihrem“ Strom. „Das ist eine große Chance für die gesamte Gemeinde“, ist nicht nur Michael Schlecht überzeugt.